Sprachgeschichte(n)

Geschickt ausbaldowert

Meister im Baldowern: Disneys Panzerknackerbande Foto: ddp

Teenieschwarm Justin Bieber wird erpresst, meldete vergangene Woche die Bild-Zeitung. Der Erpresser habe »einen richtigen Stufenplan ausbaldowert«. Der Münchner Merkur wusste am selben Tag über lokale Politiker zu berichten, dass »die wirklich wichtigen Dinge in ganz kleinen Zirkeln ausbaldowert« würden. Und in einer Filmbesprechung im Hamburger Abendblatt las man von Frauenhelden, die gemeinsam »Eroberungsstrategien ausbaldowern«.

duden Das Verb »baldowern« beziehungsweise »ausbaldowern« verzeichnet der Duden seit 1902. Als Bedeutungen werden »auskundschaften«, »planen«, »sich ausdenken« und »ausklügeln« angegeben und auf den gaunersprachlichen Gebrauch verwiesen, von dem man schon in Theodor Fontanes Roman Der Stechlin (1897/1899) las: »Ich sehe, wir müssen uns was Neues ausbaldowern. Das is nämlich ein Wort aus der Diebssprache; so weit sind wir nu schon.«

Als milieuspezifische Vokabel aus der Halb- und Unterwelt wurde und wird baldowern gern von Schriftstellern verwendet, wie in Hans Falladas Der Trinker: »Auch von Mordhorst erfuhr ich nichts Näheres. Wenn ich drängte, sagte er nur: ›Wart’s ab, Kumpel. Ich muss erst Genaues baldowern, der Mordhorst knackt keinen Schrank, ehe er nicht alles baldowert hat.‹«

Das jiddische »baldówer« stammt vom hebräischen »ba’aldawár« ab, übersetzt »Herr des Wortes«, womit »der betreffende, in Rede stehende Mensch« gemeint war, in chassidischen Kreisen oft auch euphemistisch der »Jezer hara«, der böse Trieb. In der Tora findet sich das Wort in Exodus 24,14 in der Bedeutung »Prozessgegner«.

vaganten Wie dieses Wort (und andere) in die Gaunersprache kamen, hat Jakob Krystian Schleicher 2007 in der Zeitschrift Chilufim erläutert: »Die Vagantes, fahrende Studenten, die ihr Leben meistens eher Duellen, der Sauferei und kleinen Gaunereien als der Wissenschaft widmeten, nahmen viele jiddische Ausdrücke in ihren Jargon auf. Dadurch drangen diese Wörter in das Rotwelsche, die Geheimsprache der Diebe und Gauner, ein.« 1811 erklärt der Richter G. Nicol im Neuen Hannoverschen Magazin die Hierarchie von Diebesbanden: »Bei Verübung des Diebstahls selbst ist der Baldower in der Regel nicht gegenwärtig. Der Balmassematte (hebräisch ›Führer des Geschäfts‹) ist der eigentliche Direktor bei Verübung eines Diebstahls.«

Im Jiddischen stand das Substantiv »Baldower« auch verächtlich für jemanden, mit dem man nicht gern umgeht. Daran knüpfte Kurt Tucholsky alias Kaspar Hauser 1929 in der Weltbühne an, als er deutschnationale Kritiker von Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues persiflierte: »Und dieser miese Baldower wagt es, für die Asphaltpresse einen Bericht zu verfassen, dem die Lüge an der Stirn geschrieben steht.«

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert