Leo-Baeck-Institut

Geschichte vernetzen

»Mir ist Teamarbeit sehr wichtig«: Irene Aue-Ben-David Foto: Lissy Kaufmann

Sie kam, um ihre Doktorarbeit zu schreiben, geblieben ist sie wegen der Liebe zu den Menschen und der Faszination für die komplexe israelische Gesellschaft. Nun leitet sie als neue Direktorin das Leo-Baeck-Institut in Jerusalem, eines der führenden israelischen Forschungszentren für jüdische Geschichte und Kultur in Deutschland und Zentraleuropa.

Am 1. September hat Irene Aue-Ben-David ihr neues Büro in der Bustenaistraße in Jerusalem bezogen. Sie hat bereits Pläne, möchte das Institut und seine Veranstaltungen auch für ein jüngeres Publikum attraktiver und das Archiv bekannter und zugänglicher machen. Derzeit wird dieses katalogisiert, demnächst soll es auch digitalisiert werden. Gleichzeitig will es Irene Aue-Ben-David zunächst ruhig angehen lassen: »Mir ist Teamarbeit sehr wichtig. Ich will vor allem erst einmal zuhören.«

Das Jerusalemer Leo-Baeck-Institut zu leiten, ist für die 42-Jährige eine besondere Aufgabe: Schließlich ist es die weltweit älteste Forschungseinrichtung, die sich nach dem Holocaust der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums gewidmet hat. Das Institut wird dieses Jahr 60 Jahre alt. Zu den Gründern zählen bekannte Persönlichkeiten wie Gershom Scholem, Sigfried Moses, Kurt Blumenfeld, Martin Buber und Ernst Simon. Auch in New York und London gibt es heute Leo-Baeck-Institute. Sie organisieren Seminare, Workshops und Konferenzen und publizieren und archivieren Dokumente. Das Jerusalemer Institut veröffentlicht regelmäßig vor allem hebräische Werke.

»Jud süss« Aue-Ben-David hat sich bereits während ihres Studiums der Mittleren und Neueren Geschichte, Soziologie und Pädagogik in Göttingen mit dem Judentum in Deutschland beschäftigt. Die Weimarer Republik interessierte sie dabei besonders. So schrieb sie ihre Magisterarbeit über Selma Sterns Biografie von Joseph Süß Oppenheimer und die »Jud Süß«-Debatte in der Weimarer Republik. Die Historikerin Stern war unter anderem Gründungsmitglied des Leo-Baeck-Instituts in New York.

Für ihre Dissertation »Selma Stern als Historikerin. Die Werksgeschichten von ›Der preußische Staat und seine Juden‹ und ›Jud Süß‹« kam Aue-Ben-David 2004 nach Israel, forschte zwischenzeitlich in den USA und in der Schweiz, war Gastdoktorandin am Franz-Rosenzweig-Minerva-Forschungszentrum der Hebräischen Universität Jerusalem, später auch Projektreferentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin.

»Es war damals mein erster Besuch in Israel, und natürlich habe ich mich als Deutsche hier zunächst langsam vorgetastet«, erzählt Aue-Ben-David. Nach Israel zu kommen, hat nie zu ihren großen Zielen gezählt. Sie war zwar neugierig, kam aber vor allem wegen der Doktorarbeit. Wie lange sie bleiben würde, war nicht klar.

Zudem waren im Jahr 2004 noch die Nachwehen der zweiten Intifada zu spüren, die Angst vor Anschlägen und die Trauer um verlorene Freunde, Familienmitglieder und Bekannte waren stets präsent. »Ich dachte, ich werde ohnehin die meiste Zeit in der Bibliothek und in Archiven verbringen. Doch dann habe ich gemerkt, dass das nicht funktioniert. Wenn du hier lebst, dann lebst du hier, dann hast du hier auch einen Alltag.« Und damit Freunde und Kollegen – und mittlerweile auch eine Familie.

Kooperation Zuletzt arbeitete sie als Projektkoordinatorin am Jerusalemer Van-Leer-Institut an einem Forschungsprojekt zum Thema deutsch-israelische Wissenschaftskooperationen in den Geisteswissenschaften – in Zusammenarbeit mit dem Fritz Bauer Institut in Frankfurt und dem Franz-Rosenzweig-Minerva-Forschungzent- rum. Die Forschung auf diesem Gebiet möchte Aue-Ben-David fortführen.

Die Kooperationen in den Geisteswissenschaften begannen im Vergleich zu den Naturwissenschaften relativ spät, erst 1971 wurde an der Universität Tel Aviv das Institut für Deutsche Geschichte gegründet – das erste seiner Art in Israel. »Die Naturwissenschaften brauchen stets mehr Geld für ihre Forschung, sie benötigen den Zugang zu Laboren«, erklärt Aue-Ben-David. Die israelischen Naturwissenschaftler konnten so schon früh von deutscher Förderung profitieren, die deutschen wiederum internationale Kontakte knüpfen.

In den Geisteswissenschaften war das schwieriger: Ob man überhaupt eine Abteilung für die Lehre der deutschen Sprache und Literatur in Israel einführen sollte, darüber wurde in den 1970er-Jahren an der Hebräischen Universität noch rege diskutiert. Dass sich mittlerweile auch die Geisteswissenschaftler einander angenähert haben, zusammenarbeiten und sich austauschen – dafür ist Irene Aue-Ben-David selbst wohl ein gutes Beispiel.

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025