Berlin

Geschenk an Preußen

Wäre es nach dem Spanienkämpfer Palmiro Togliatti gegangen, hätte Italien die »Deutsche Akademie Rom Villa Massimo« nach dem Zweiten Weltkrieg nicht an ihre einstigen Besitzer zurückgegeben. Der Kommunist und stellvertretende Ministerpräsident der ersten italienischen Nachkriegsregierung plädierte vielmehr dafür, das Gebäude denjenigen italienischen Künstlern zur Verfügung zu stellen, die in der Resistenza gegen den Faschismus gekämpft hatten.

Togliatti hat sich mit seinem Plan nicht durchgesetzt, und so ging die Villa Massimo 1956 wieder in deutschen Besitz über. Eine bedauerliche Entscheidung, besonders wenn man daran denkt, dass sich die Bundesrepublik bis heute mit Händen und Füßen dagegen wehrt, italienische Opfer der deutschen Kriegsverbrechen individuell zu entschädigen.

Stipendiaten Und so ist die Villa Massimo bis heute ein Ort, an dem sich jedes Jahr eine Schar handverlesener deutscher Stipendiaten ihrer Kunst widmen darf. Zu den Gästen der Villa Massimo gehörten in der Vergangenheit Schriftsteller wie Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Peter O. Chotjewitz und Hertha Müller. Dass es die Villa Massimo überhaupt gibt, ist dem jüdischen Unternehmer Eduard Arnhold (1849–1925) zu verdanken, der die Deutsche Akademie in Rom aus eigenen Mitteln plante, erbaute und dem preußischen Staat 1913 schenkte.

Arnhold war der tiefen Überzeugung, dass Eigentum verpflichtet: Die Gründung der Villa Massimo war nur eines seiner vielen Projekte, mit denen er Künstler und andere Hilfsbedürftige großzügig unterstützte. Eine Tradition, die von seiner Familie mit der anhaltenden Teilfinanzierung der Villa Massimo bis heute weitergeführt wird. Bei der diesjährigen Präsentation der von den Stipendiaten geschaffenen Werke im Berliner Martin-Gropius-Bau stand die Erinnerung an den jüdischen Vater der Villa Massimo im Fokus der Veranstaltung.

Aus diesem Grund hatte man die Journalistin und Buchhändlerin Rachel Salamander, die, wie Joachim Blüher, der Direktor der Villa Massimo, es formuliert, »Doyenne des jüdischen Geisteslebens in Deutschland«, als Ehrengast des Abends geladen.

»Wie gut«, so begann Salamander ihren Vortrag, »dass Eduard Arnhold rechtzeitig gestorben ist und nicht das Schicksal der Juden im Nationalsozialismus erleiden musste. Noch unter großer Anteilnahme der Berliner Bevölkerung und prominenten Vertretern von Wirtschaft, Politik und Kultur wurde der 76-Jährige im Sommer 1925 zu Grabe getragen. Er, der wie auffallend viele Juden die Gunst einer kurzen Spanne offener deutscher Geschichte nutzte und es mit erfolgreichem Unternehmertum zu Wohlstand brachte, hatte Berlin so viel gegeben, dass er sich nicht hätte vorstellen können, dass er nur wenige Jahre später staatlich verfolgt, deportiert und umgebracht worden wäre.«

Ursprung Im Jahr 2014 hatte Rachel Salamander als Ehrengast einige Zeit in der Villa Massimo verbracht. »Alles, was Rang und Namen hatte, war in den vergangenen 100 Jahren Gast in der Villa Massimo.« Doch, so Salamander, »viele Juden sind mir dabei nicht aufgefallen. Konnte mein Aufenthalt auf den jüdischen Ursprung der deutschen Vorzeige-Einrichtung wieder etwas mehr Aufmerksamkeit lenken?«

Vielleicht hat ja auch die diesjährige Veranstaltung der Villa Massimo etwas dazu beigetragen, die Erinnerung an ihren jüdischen Stifter zu wecken und wachzuhalten. Und vielleicht werden sich in Zukunft ja einige der Stipendiaten, die in der Villa Massimo unter italienischer Sonne mit Schreibblockaden und Schaffenskrisen zu kämpfen haben, in einem multimedialen biografischen Projekt dem Gründer der Villa Massimo annähern. Zeit dazu hätten sie genug.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025