Kino

Die Macht der Propaganda

Robert Stadlober liefert in »Führer und Verführer« eine schauspielerische Glanzleistung ab. Foto: picture alliance/dpa


Der österreichische Schauspieler Robert Stadlober hat in seiner rund ein Vierteljahrhundert dauernden Karriere schon mehrfach starke Charakterporträts gestaltet. Zum Beispiel hat der jetzt 41-jährige in Spielfilmerfolgen wie »Sonnenallee«, »Crazy«, »Las Vegas« oder jüngst »Andrea lässt sich scheiden« begeistert.

Im Anti-Nazi-Drama »Führer und Verführer« von Autor und Regisseur Joachim A. Lang (»Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm«) übertrifft er sich nun gleichsam selbst. Zahlreiche Filmpreise sollten ihm sicher sein.

Robert Stadlober verkörpert Joseph Goebbels, den Propagandaminister des deutschen Diktators Adolf Hitler. Das Kunststück: Weder dämonisiert noch karikiert er den Schergen des Grauens. Mit beängstigender Intensität porträtiert er den Meister des Lügens und Jongleur populistischer Phrasen im Dienst des faschistischen Unrechtsstaates als Bürger, Kunstfreund, Ehemann, Vater und auch Liebhaber.

Mörderische Unmenschlichkeit

Doch er verkleinert ihn nicht zum durchschnittlichen Menschen wie Du und ich. Hinter der Fassade des Gewöhnlichen lauert stets die mörderische Unmenschlichkeit.

Der Film umfasst die Jahre 1938 bis 1945, von der Annexion Österreichs bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Finale thematisiert die Selbsttötungen von Hitler (Fritz Karl), Goebbels und ihren engsten Angehörigen, die sechs Kinder von Joseph und Magda Goebbels (Franziska Weisz) eingeschlossen. Eine Flut an Bildern des Krieges gibt es nicht.

Die Spielszenen und Dokumentaraufnahmen konzentrieren sich auf das Auftreten der Protagonisten in deren Alltag, in den Büros, Villen, Restaurants, auch in der Wolfsschanze, jenem Kriegsquartier Hitlers, in dem das Attentat auf ihn am 20. Juli 1944 versucht wurde.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zynische Selbstgefälligkeit

Akribisch wird gezeigt, dass die Vorgeführten mit zynischer Selbstgefälligkeit und schier unglaublicher Egomanie an nichts als dem eigenen Wohlergehen interessiert waren. Dazu gehörte für sie die unumschränkte Macht über Menschen und Territorien. Skrupellos und mit beispielloser Gewalt haben sie die Welt nach ihrem Willen gestaltet.

Scharf beleuchtet wird, was die Publizistin Hannah Arendt als »Banalität des Bösen« gebrandmarkt hat. Dabei wird der pseudoreligiöse Fanatismus einer rechtsnationalistischen Weltanschauung überdeutlich.

Sehr klar wird dabei der Bezug zum Heute. Darauf verweisen auch scheinbare Randmomente des Geschehens. In einem Gespräch zum Beispiel sagt Adolf Hitler zu Joseph Goebbels: »Mit Reklame kann jeder Hanswurst an die Macht kommen.« Wer das hört, denkt unweigerlich an gegenwärtige Demagogen und Populisten.

Handlanger der Massenmörder

Goebbels standen Zeitungen, der Hörfunk und das Kino als Propagandainstrumente zur Verfügung. Die Palette hat sich im Zeitalter des Internets enorm erweitert. Es schaudert einen.

Ähnlich wie schon im Vorjahr der mit zwei Oscars und vielen anderen internationalen Preisen ausgezeichnete Welterfolgsfilm »The Zone of Interest« zeigt »Führer und Verführer«, wie die Betreiber der Todesmaschinerie des deutschen Faschismus‘ gelebt haben, belegt, dass sie alle Menschlichkeit wie ein altes Kleidungsstück abgelegt hatten.

Da drängt sich die Frage auf, wie die von ihnen regierten Bürgerinnen und Bürger gelebt haben, wieso sich Millionen in Deutschland zu Handlangern der Massenmörder haben machen lassen. Auch dieser Film sagt es nicht. Jede und jeder im Kino muss selbst nach Antworten suchen.

Ohne Pathos

Zeitzeuginnen wie Margot Friedländer kommen zu Wort
Die Stimmen des Humanismus und der Demokratie kommen in diesem Film von Menschen, die Opfer des Holocaust waren. Aussagen von ihnen unterbrechen häufig die bedrängende Folge von Dokumentaraufnahmen und Spielszenen.

Hochbetagte Zeitzeugen wie Margot Friedländer, Charlotte Knobloch, Leon Weintraub und andere erinnern und mahnen. Sie tun es ohne Pathos. Da sie jeweils direkt in die Kamera sprechen, kommen sie dem Publikum sehr nah. Diese Momente haben eine schmerzliche Kraft, dürften viele Kinobesucher packen und zum Nachdenken anregen.

Andere Momente des Films haben weniger Gewicht. Die ausufernde Darstellung der Liebesbeziehung von Joseph Goebbels und Lída Baarová (Katia Fellin) beispielsweise rutscht gelegentlich gar in den Kitsch ab. Sie erhellt die Persönlichkeit von Goebbels nicht, wie auch nicht die vielen skizzenartigen Kurzszenen, die seine Beziehung zu damals berühmten Filmschaffenden wie etwa dem Schauspieler Heinz Rühmann und dem Regisseur Veit Harlan zeigen.

Intensive Darstellung

Was sich einprägt, das ist die intensive Darstellung von Robert Stadlober, sind die klaren Worte der Zeitzeugen.

Am Schluss des Films werden Worte des Schriftstellers Primo Levi (1919–1987) als Schrifttafel eingeblendet. Das Zitat des italienischen Auschwitz-Überlebenden steht gleichsam über dem gesamten Film: »Es ist geschehen … und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.« dpa

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

TV-Tipp

»Fargo«: Spannend-komischer Thriller-Klassiker der Coen-Brüder

Joel und Ethan Coen erhielten 1997 den Oscar für das beste Originaldrehbuch

von Jan Lehr  03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  02.12.2025

Streaming

Gepflegter Eskapismus

In der Serie »Call my Agent Berlin« nimmt sich die Filmbranche selbst auf die Schippe – mit prominenter Besetzung

von Katrin Richter  02.12.2025

Jean Radvanyi

»Anna Seghers war für mich ›Tschibi‹«

Ein Gespräch mit dem Historiker über die Liebesbriefe seiner Großeltern, Kosenamen und hochaktuelle Texte

von Katrin Richter  02.12.2025