»Lou Andreas-Salomé«

Femme fatale und Universalgelehrte

Wäre Lou Andreas-Salomé ein Mann gewesen, wäre ihr Werk heute wohl weitgehend vergessen. Doch Salomé war eine Frau – und eine höchst außergewöhnliche dazu. Denn die 1861 in St. Petersburg geborene Tochter eines Adligen weigerte sich stets, so fremdbestimmt zu leben, wie es von den Frauen ihrer Zeit erwartet wurde.

1879 ging Salomé nach Zürich, um dort Religionswissenschaft, Logik, Archäologie, Metaphysik und Geschichte zu studieren. Da sie nicht nur sehr intelligent, sondern auch ebenso schön war, blieben emotionale Verwicklungen nicht aus. Jeder Mann, der ihr begegnete, stellte Martin Buber einmal fest, habe sich in sie verliebt (er selbst sei da allerdings eine Ausnahme gewesen).

Geliebte Das Interesse der oft als Femme fatale bezeichneten Frau an allen Seelendingen brachte die Psychoanalytikerin schließlich mit Sigmund Freud in Kontakt. Dieser bewunderte die »Echtheit und Harmonie ihres Wesens« und stellte neidlos fest, dass ihr »alle weiblichen, vielleicht die meisten menschlichen Schwächen fremd waren«. Dem »großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke«, so Freud in seinem Nachruf auf die Freundin, sei sie zugleich Muse, Mutter und Geliebte gewesen.

In Cordula Kablitz-Posts Biopic Lou Andreas-Salomé wird ebenjene von Katharina Lorenz (Der Tel-Aviv-Krimi) gespielt. Merab Ninidze ist ihr glückloser Ehemann Andreas, der nicht mit seiner Frau schlafen darf. Die meisten anderen Darsteller spielen ihre Rollen leider nur, angefangen bei Nietzsche mit Wyatt-Earp-Schnurrbart über einen nervtötend-verheulten Rilke bis hin zu einem erstaunlich lustlosen Sigmund Freud. Doch dank einer grandiosen Katharina Lorenz bekommt der Zuschauer einen Eindruck davon, warum Salomé auf Männer so anziehend gewirkt hat und was genau ihre intellektuelle Brillanz ausmachte.

Und wie die Schauspielerin in einer Schlüsselszene ihr vielsagendes Schweigen einsetzt, ist schlicht einmalig. Allein diese Szene macht den Film zum Highlight des Kinosommers – und entschädigt auch dafür, dass das Drehbuch darauf verzichtet, von den Jahren der – nichtjüdischen – Salomé während der NS-Zeit in Deutschland zu erzählen oder davon, wie die Nazis sie als »finnische Jüdin« denunzierten.

»Lou Andreas-Salomé«. Deutschland 2016, seit 30. Juni im Kino

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert