Wuligers Woche

Faule Ausreden aus Köln

Foto: imago images/Eduard Bopp

Wenn man Mist gebaut hat und dafür kritisiert wird, gibt es zwei Möglichkeiten: Man sieht den Fehler ein, bittet um Entschuldigung und ändert in der Zukunft sein Verhalten. Oder aber man versucht, sich herauszureden. Meist wählen Menschen die zweite, bequemere Alternative und machen damit alles nur noch schlimmer.

Der Westdeutsche Rundfunk hat der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart ein öffentliches Forum gegeben, um Sätze herauszuhauen, die beim besten Willen nicht anders zu charakterisieren sind als antisemitisch. In der »MeToo«-Debatte hatte die 27-Jährige darauf verwiesen, dass viele der Prominenten, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden, Juden sind.

SCHOA »Was tun, wenn die Unantastbaren beginnen, andere anzutasten?«, höhnte sie, um dann die Volte zum Thema Schoa und Wiedergutmachung zu schlagen. »Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen.« Mit Geld sei nämlich nichts gutzumachen. Den Juden Reparationen zu zahlen, das sei, wie dem Getränkefabrikanten Mateschitz ein Red Bull auszugeben. »Da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld.«

Man muss kein Antisemitismusforscher sein, um in diesen Sätzen das klassische Stereotyp vom geldgeilen jüdischen Mädchenschänder zu erkennen. Es ist offensichtlich. Nur der WDR will ums Verrecken keinen Judenhass erkennen. Im Gegenteil: »Die Künstlerin hatte … Vorurteile gegenüber Juden … aufgegriffen, um genau diese Vorurteile schonungslos zu entlarven«, erklärte der Sender.

KUNSTGRIFF Das erinnert ein bisschen an den Kunstgriff von Illustrierten in den prüden 50er- und 60er-Jahren, anzügliche Fotos vorgeblich zu Dokumentationszwecken zu drucken, versehen mit der Überschrift »Darf man so etwas zeigen?« oder »Solche Bilder wollen wir nicht sehen!«.

Und weil man beim WDR gerade so schön im Flow war, wurde gleich noch eins draufgesetzt und der Ball zurückgeschlagen: »Es ist nie die Absicht gewesen, persönliche Gefühle zu verletzen.« Das klingt wie eine Entschuldigung, ist aber das glatte Gegenteil. Es bedeutet: »Wir haben nichts falsch gemacht. Was können wir dafür, wenn die Juden überempfindlich sind?« Schuldumkehr nennt man das. Die Opfer bekommen zum Schaden noch den Spott dazu.

TAKTIK Auch der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner hatte zu dieser Argumentationstaktik gegriffen, als er vergangenes Jahr wegen eines vielfach als antisemitisch empfundenen Retweets zum Synagogenanschlag von Halle kritisiert worden war. Er entschuldige sich, wenn Leute sich dadurch angegriffen oder schlecht gefühlt hätten, erklärte der Rechtsaußenpolitiker damals.

Sprich: Manche Menschen sind halt hypersensibel. Das muss man ihnen nachsehen. Natürlich hat damals kaum jemand dem AfD-Mann seine Entschuldigung abgenommen. Dem WDR kann man genauso wenig glauben.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024