Musik

»Es war eine tolle Erfahrung«

Otto Wanke Foto: Conny Kurz

Herr Wanke, Sie haben den dritten Preis beim Wolf Durmashkin Composition Award (WDCA) gewonnen, der zum ersten Mal ausgelobt worden ist. Thema der Ausschreibung war »Holocaust und Musik«.
Komponisten aus den USA, China, Frankreich, Brasilien, Iran und Japan hatten ihre Werke eingereicht. Voraussetzung war, dass sie unter 35 Jahre alt sind. Bracha Bdil aus Israel und Rose Miranda Hall aus England erhielten den ersten und zweiten Preis. Ihr Stück »Vergiss, wer du bist« wurde nun prämiert und im Rahmen der Landesberger Jüdisch-Deutschen Kulturwoche uraufgeführt.

Wie hörte es sich an? Waren Sie zufrieden?
Ja, die Musiker haben gut gespielt. Es war eine tolle Erfahrung. Bis zur ersten Probe hatte ich es nur in meinem Kopf und natürlich auf dem Papier. Es jetzt von »außen« zu hören, war schon interessant. Allerdings bin ich grundsätzlich nie zufrieden.

Sie haben sich für ein Werk für die Besetzung von Akkordeon, Cello, Violine, Horn und einer Sopran-Stimme entschieden. Warum ausgerechnet diese?
Teilweise wurde die Besetzung von dem Wettbewerb vorgegeben. Die Suche nach der Identifikation in schwierigen Situationen, hier konkret im Konzentrationslager, steht in dem Stück im Mittelpunkt. Ich wollte verschiedene Verwandlungen ausprobieren mithilfe von Klängen. So gehe ich von einem weichen Rauschen im Horn zu normal gespielten Tönen. Und ich habe nach klanglichen Effekten gesucht. Beispielsweise habe ich Luftgeräusche beim Horn bis hin zum Überdruckbogen beim Cello eingearbeitet.

Die Textzeilen stammen von Laszlo Salamon?
Er hat es wahrscheinlich geschrieben, als er in Kempten, einem Außenlager des Konzentrationslagers Dachau, inhaftiert war. Seine Poesie ist in dem Buch »Mein Schatten in Dachau« festgehalten worden. Ich habe mir diesen Text ausgesucht, ihn aber nicht im Original verwendet, sondern habe mir eine eigene Version zusammengestellt. Ich arbeite mit den Wörtern auch klanglich. Beispielsweise wird das Wort Zeit immer wiederholt.
Der letzte Buchstabe – das »T« – erinnert so an das Ticken einer Uhr.

Wie war die Reaktion des Publikums? Das Stadttheater in Landsberg war ja ausverkauft.
An sich positiv. Ich hatte ein bisschen Angst davor, wie die Zuhörer reagieren würden, denn ich nutze auch Zwölfton- und atonale Musik. Die Ansätze von uns drei Preisträgern waren sehr unterschiedlich. Die Verbindung mit den anderen Stücken von Gershwin und Bizet war gelungen, da hat die Dramaturgie gut geklappt. Denn es wurde in Erinnerung an das Konzert des DP-Orchesters vor 70 Jahren das gleiche Programm von einst gespielt, also »Rhapsody in Blue« von George Gershwin und »L’Arlésienne« von Georges Bizet.

Wie lange haben Sie an dem Werk gearbeitet?
Das kann ich nicht genau sagen, aber ich meine, so etwa einen Monat. Zuerst habe ich den Text analysiert und mir dann die Wörter ausgesucht, auf denen die Betonungen liegen sollten. Anschließend habe ich das Material entwickelt.

Wird das Stück noch einmal aufgeführt werden?
Bisher habe ich keine weitere Einladung erhalten. Aber das Konzert ist von den Initiatoren des Wettbewerbs aufgezeichnet worden.

Wie sind Sie auf den WDCA aufmerksam geworden?
Ich habe eine E-Mail mit einem entsprechenden Hinweis von meinem Dozenten der Universität bekommen.

Der Preis wurde in Erinnerung an den Komponisten Wolf Durmashkin ins Leben gerufen, der 1944 als 30-Jähriger Opfer der Nazis wurde. Sie sind heute 28 Jahre alt und in Tschechien aufgewachsen. Wie sind Sie mit dem Holocaust groß geworden?
In der Schule wurde ich damit konfrontiert. Moderne Geschichte wird allerdings in meinen Augen immer zu wenig unterrichtet. Ich habe mich in meiner Kindheit und Jugend für Geschichte interessiert. Und bei diesem Wettbewerb gefiel mir der Ansatz, dass sich eine neue Generation mit dem Thema auseinandersetzen soll. Das ermöglicht dem Erinnern ganz neue Wege.

Sie haben als Kind bereits Klavier gespielt. Wann fingen Sie an zu komponieren?
Mit sieben vielleicht, noch in Tschechien. Mit 19 begann ich, in Prag Komposition zu studieren, und setzte dieses Studium in Wien fort. Klassische Komposition habe ich bereits abgeschlossen, im Herbst möchte ich noch ein Examen in elektronischer Komposition absolvieren.

Können Sie vom Komponieren leben?
Das wird nicht einfach. Die Situation ist nicht leicht. Meistens ist es so, dass man eine Mischung aus mehreren Sachen macht, um finanziell über die Runden zu kommen. Ich arbeite auch als technischer Assistent an der Uni. Und ich unterrichte. Und dann komponiere ich noch.

Der Wettbewerb, der von der Journalistin Karla Schönebeck sowie von Wolfgang Hauck, dem Vorsitzenden der Landsberger »dieKunstBaustelle« entwickelt und in Kooperation mit der Hochschule für Theater und Musik München durchgeführt wurde, soll wieder ausgeschrieben werden – wahrscheinlich in zwei Jahren. Würden Sie noch einmal eine Komposition einreichen?
Ja, natürlich.

Mit dem Musiker und Komponisten sprach Christine Schmitt.

"Zeit"-Interview

Iris Berben kritisiert Judenhass im linken Spektrum

Die Schauspielerin bezeichnet sich selbst als links. Dennoch sieht sie im linken Milieu viel Problematisches – darunter Antisemitismus

 28.08.2025

Darren Aronofsky

»Das Raue und das Dreckige war enorm präsent«

Mit »Caught Stealing« hat der Regisseur einen Gangster-Film in New York gedreht. Ein Gespräch über das Drehbuch von Charlie Huston, orthodoxe Figuren und eine Schabbat-Dinnerszene

von Patrick Heidmann  28.08.2025

Kulturkolumne

Dating in Zeiten der Wassermelone

Verhandeln auf Tinder ...

von Laura Cazés  28.08.2025

Frankfurt am Main

Michel Friedman will nicht für TikTok tanzen

Es handle sich um eine Plattform, die primär Propaganda und Lügen verbreite, sagt der Publizist

 28.08.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 28. August bis zum 4. September

 27.08.2025

Sachbuch

Die Gruppe 47, Günter Grass und die ersten »Shitbürger«

»WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt rechnet in seinem neuen Bestseller »Shitbürgertum« auch mit der Kontinuität des deutschen Judenhasses ab. Ein exklusiver Auszug

von Ulf Poschardt  27.08.2025

Filmfestspiele

Gal Gadot wird zur Hassfigur in Venedig

In einem offenen Brief verlangen 1500 Unterzeichner die Ausladung der israelischen Schauspielerin von den Filmfestspielen. Doch die hatte offenbar nie die Absicht, nach Venedig zu kommen

von Nicole Dreyfus  27.08.2025

Atlanta

Woody Allen verteidigt Auftritt bei Moskauer Filmfestival

In einem CNN-Interview legt der Regisseur und Schauspieler dar, warum er an dem russischen Event teilnahm

 27.08.2025

Essay

Übermenschlich allzumenschlich

Künstliche Intelligenz kann Großartiges leisten. Doch nicht zuletzt die antisemitischen Ausfälle von Elon Musks Modell »Grok« zeigen: Sie ist nicht per se besser als ihre Schöpfer. Ein alter jüdischer Mythos wirft Licht auf dieses Dilemma

von Joshua Schultheis  27.08.2025