Jerusalem

Eröffnung im Amphitheater

Am 3. April 1925 brachte das Sprachrohr der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, die »Jüdische Rundschau«, auf der Titelseite die folgende Grußbotschaft: »Der Tag der Eröffnung der hebräischen Universität, der 7. Nissan (1. April), wird fortan ein Gedenktag unseres Volkes sein, zum Zeichen, dass an diesem Tage der jüdische Geist sich ein eigenes Zentrum für seine freie Betätigung auf ureigenstem Heimatboden geschaffen hat.«

Mehr als 8000 Zuschauer saßen an diesem Tag dicht gedrängt in dem eigens zu diesem Zweck errichteten provisorischen Amphitheater auf dem Skopusberg. Sie lauschten den vielen prominenten Rednern. Den meisten Beifall bekam der aus London angereiste Lord Arthur Balfour, dessen Erklärung im Jahre 1917 ein Meilenstein auf dem Weg zur Gründung des Staates Israel war.

In seiner Rede gab er der Überzeugung Ausdruck, dass sich die Eröffnung der Universität trotz aller Hindernisse als voller Erfolg erweisen werde. An großen Gelehrten fehle es den Juden gewiss nicht; Letztere hätten ein großes Interesse an der Bearbeitung der Probleme, die für die Menschheit von Bedeutung seien. Am Schluss seiner Eröffnungsansprache forderte er die Araber im Land zur Zusammenarbeit mit den Juden auf.

Gründung einer jüdischen Universität in Jerusalem

Die Idee zur Gründung einer jüdischen Universität in Palästina hatte schon lange in der Luft gelegen, die protozionistische »Chowewe Zion«-Bewegung brachte sie in den 1880er-Jahren zur Sprache. Einer ihrer Gründer, der aus Litauen stammende Rabbiner Hermann Schapira, stellte das Konzept auf dem ersten Zionistenkongress 1897 in Basel vor, wo es begeistert aufgenommen wurde. Denn jüdische Studenten hatten damals in Europa ein Problem. Vielerorts wurde ihnen der Zugang zu einer akademischen Einrichtung verwehrt – Stichwort »Numerus clausus«.

Der erste Zionistenkongress in Basel war von der Idee einer jüdischen Hochschule begeistert.

Auch sollte diese Hochschule nicht irgendwo im Land gegründet werden, sondern in Jerusalem, weshalb man später von der Universität gelegentlich auch als einem »Dritten Tempel« sprach.

In der Ausgabe der Jüdischen Rundschau kam auch einer der Gründungsväter der Hebräischen Universität zu Wort, und zwar Albert Einstein. Der große Gelehrte dämpfte allzu große Erwartungen an die nach dem 1912 gegründeten Technion zweite Hochschule im Lande: »Unsere Universität ist vorläufig ein bescheidenes Unternehmen. Es ist ein ganz richtiges Prinzip, daß man zunächst mit einigen Forschungsinstituten beginnt.«

Von erheblicher Bedeutung für das Selbstverständnis der neuen jüdischen Hochschule erwies sich der Umstand, dass ihre Keimzelle das Judaistische Institut war. Dieses wurde bereits Ende 1924 eröffnet. Es war den Gründungsvätern der Hebräischen Universität, darunter der spätere Staatspräsident Chaim Weizman, von vornherein klar gewesen, dass zum Aufbau einer solchen Abteilung führende jüdische Wissenschaftler im Ausland gewonnen werden mussten.

Fakultät zur Erforschung aller Aspekte des Judentums und seiner Geschichte

Genau das sollte ein eigenes Berufungskomitee bewerkstelligen. Dessen Auftrag schildert Gershom Scholem in seinem Erinnerungsbuch Von Berlin nach Jerusalem folgendermaßen: »Ein speziell errichtetes Kuratorium von bekannten judaistischen Gelehrten sah sich inzwischen nach Wissenschaftlern um, die eine judaistische Fakultät zur Erforschung aller Aspekte des Judentums und seiner Geschichte zieren könnten. An etwaige Diplome war, Gott behüte, noch nicht gedacht. Man suchte Forscher, die sich rein um der Sache selber willen, nicht zur Ausbildung von Lehrern, geschweige denn Rabbinern, diesen Studien ganz und gar widmen sollten.«

Zu den auf diese Weise berufenen »Männern der ersten Stunde« – Frauen waren nicht vertreten – gehörte wenig überraschend auch Gershom Scholem, dem das Spezialgebiet »Kabbala« übertragen wurde.

Wie alle Redner auf der Eröffnungsfeier betonten, sollte die Hebräische Universität den akademischen Bedürfnissen des jüdischen Volkes dienen sowie zur Erfüllung der wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen des zionistischen Aufbauwerkes in Eretz Israel beitragen.

Es überrascht daher zunächst, dass eine Universität mit solch praktischen Zielen als eine ihrer zentralen Säulen schon früh auch ein nach Albert Einstein benanntes Institut für reine Mathematik erhielt. Es wurde wie bereits das Judaistische Institut Ende 1924 gegründet. Treibende Kraft dahinter war der international bekannte Göttinger Mathematiker Edmund Landau, der seine Rede auf der Eröffnungsfeier auf Hebräisch hielt. Sein Name taucht heute noch in vielen Bereichen der Mathematik, beispielsweise in den »Landau-Problemen«, auf.

»Durchdrungen von einem tatkräftigen wissenschaftlichen Geist«

An der Jerusalemer Universität selbst sollte ein neuer Forschungsgeist herrschen. Das war auch der bleibende Eindruck, den Thomas Mann von seiner Palästina-Reise im Jahr 1930 mit nach Hause nahm. »Von der Universität Jerusalem ist vor allem rühmend zu sagen, daß sie durchdrungen ist von einem tatkräftigen wissenschaftlichen Geist, der die Förderung menschlichen Wissens im allgemeinen mit der geistigen Selbsterforschung und Stärkung des Judentums vereint.«

Zumindest in den geisteswissenschaftlichen Fächern ging man lange Zeit davon aus, nur Forscher auszubilden. Das trug der Hebräischen Universität in den Anfangsjahren den Ruf ein, eine Art »Elfenbeinturm« zu sein. Dieser wurde Anfang der 30er-Jahre noch dadurch verstärkt, dass man weltberühmte Forscher an die Universität berief, wenngleich Albert Einstein abwinkte.

Zumindest in den geisteswissenschaftlichen Fächern ging man lange Zeit davon aus, nur Forscher auszubilden.

1935 vermeldete die Universitätsspitze, dass es gelungen sei, mehreren renommierten Wissenschaftlern aus Deutschland eine Arbeitsmöglichkeit an der Hebräischen Universität zu verschaffen, darunter Richard Koebner (Neuere Geschichte), Adolf Fraenkel (Mathematik) und Martin Buber (Religionswissenschaft). Nur eine kleine Gruppe der aus Deutschland vertriebenen Gelehrten, die gleich oder kurz nach ihrer Einwanderung an der Hebräischen Universität eine akademische Bleibe fanden, hatte jedoch das Glück, nicht nur ihr Leben retten, sondern auch ihre wissenschaftliche Arbeit mehr oder weniger nahtlos fortsetzen zu können.

»Die gebratenen Tauben fliegen ihnen auch hier nicht in den Mund«

Nicht wenige der damals an der Hebräischen Universität immatrikulierten Studenten waren gleichfalls Emigranten, die durch die Bescheinigung der Hochschule ein Einwanderungszertifikat erhalten hatten. Die Situation dieser kleinen Gruppe, die sich über ihre Arbeitsmarktchancen wenig Illusionen gemacht haben dürfte, schildert Literaturnobelpreisträger Samuel Agnon in seinem Roman Schira: »Sie kamen aus aller Herren Ländern und trieben allerlei, nahmen Arbeit als Lastträger und Handlanger an. Die gebratenen Tauben fliegen ihnen auch hier nicht in den Mund. Es gibt unter ihnen Zeitungsausträger, Lehrer und Buchhalter.« Erst Jahre nach der Staatsgründung sollten sich die Berufschancen für Akademiker verbessern.

Der Unabhängigkeitskrieg markierte eine Zäsur. Auch um die Hebräische Universität wurde heftig gekämpft. Nach dem Mai 1948 lag der Skopusberg im von Jordanien besetzten Ost-Jerusalem und bildete 20 Jahre lang eine Enklave, die nur unter militärischem Schutz zu erreichen war – wenig verlockend für Studenten oder Dozenten. Heute hat die Hebräische Universität sechs Hochschulstandorte, sieben Fakultäten, mehr als 1000 Forscher in Leitungspositionen und über 23.000 Studierende. Sie kann auf mehr als 7000 Patentmeldungen verweisen und hat nicht weniger als acht Nobelpreisträger hervorgebracht. Mehr als 16 Prozent der Studentinnen und Studenten sind inzwischen übrigens Araber – Tendenz steigend.

Andrea Kiewel

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