Interview

»Er konnte unerbittlich sein«

Andrew Ranicki Foto: Uwe Steinert

Interview

»Er konnte unerbittlich sein«

Andrew Ranicki über eine Ausstellung in Erinnerung an seinen Vater und das Comeback des »Literarischen Quartetts«

von Philipp Peyman Engel  01.06.2015 18:40 Uhr

Herr Ranicki, Ihr Vater Marcel Reich-Ranicki wäre in diesen Tagen 95 Jahre alt geworden. Die Goethe-Universität Frankfurt widmet ihm aus diesem Anlass eine Sonderausstellung. Haben Sie die Schau schon gesehen?
Ich war bei der Eröffnung vergangene Woche – die Ausstellung ist sehr gelungen. Es werden viele Dinge gezeigt, die im Leben meines Vaters eine wichtige Rolle gespielt haben. Genial finde ich die Idee, eine Wand mit seinen ganzen Zeitungsartikeln zu tapezieren. Es tat auch gut, die vielen Dossiers wieder zu sehen, die er über Schriftsteller wie Günter Grass und Martin Walser führte. Ganz besonders rührend war es für mich, seinen Schreibtisch und Ledersessel wiederzusehen.

Die Urteile Ihres Vaters waren so legendär wie gefürchtet. Hätte ihm die Ausstellung gefallen?
Er hätte sich natürlich furchtbar beschwert!

Worüber?
Er war bekanntlich sehr eitel. Vermutlich hätte er gesagt: Gar nicht so dumm, diese Ausstellung. Aber dass ich darin nur am Rande vorkomme, ist ein Affront, eine Provokation, ja ein Skandal sondergleichen! (lacht)

Sie haben die Fotoalben Ihrer Familie für die Ausstellung geöffnet und etliche Bilder zur Verfügung gestellt. Welchen Marcel Reich-Ranicki bekommen die Besucher zu sehen?
Es gab keinen so großen Unterschied zwischen dem Privatmann und zum Beispiel seinen Auftritten im Fernsehen. Insofern zeigen die Fotos nicht nur eine bestimmte Seite von ihm. Er konnte sowohl öffentlich als auch im Familienleben außerordentlich einnehmend, humorvoll und temperamentvoll sein – aber eben auch selbstherrisch, rüpelhaft und unerbittlich.

Wie sind Sie als Sohn damit umgegangen?
Es hat geholfen, dass ich – womöglich unbewusst – einen Beruf ergriffen habe, der nichts mit Literatur zu tun hat. Als Mathematiker habe ich ja Bücher geschrieben, die mein Vater nicht verstand.

Das ZDF hat vergangene Woche bekanntgegeben, dass die Sendung »Das Literarische Quartett«, die Ihr Vater von 1988 bis 2001 geleitet hatte, im Herbst auf den Bildschirm zurückkehrt. Eine gute Entscheidung?
Unbedingt. Das hätte meinen Vater sehr gefreut, dass Literatur im Fernsehen besprochen wird. Und mit dem Literaturkritiker Volker Weidermann hat das ZDF einen glänzenden Nachfolger benannt. Es ist gut, dass der Sender nicht jemanden mit dem Temperament meines Vaters engagiert hat. Das hätte allzu bemüht gewirkt.

Diese Rolle wird womöglich der Schriftsteller Maxim Biller übernehmen, der ebenfalls fester Bestandteil des Quartetts sein wird.
Ja, dieser Maxim Biller scheint nicht unkompliziert zu sein. Aber ich mag diesen Typen. Ich habe mir YouTube-Videos von ihm angesehen und muss sagen: Er ist streitbar, polemisierend, und er provoziert gern. Mit einem Wort: Er wird wohl die Tradition der Sendung fortsetzen.

Mit dem Mathematiker und Sohn von Marcel Reich-Ranicki sprach Philipp Peyman Engel.

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

 29.06.2025

Glastonbury

Polizei prüft Videos der Festival-Auftritte auf strafrechtliche Relevanz

Festival-Organisatoren: Parolen von Bob Vylan hätten eine Grenze überschritten

 29.06.2025

Literatur

Österreicherin Natascha Gangl gewinnt Bachmann-Preis 2025

Ihr poetischer Text »DA STA« begibt sich auf die Suche nach den versteckten Spuren eines NS-Verbrechens

 29.06.2025