Innovation

Emissionsfrei abheben

Das Elektroflugzeug »Alice«, hier als Prototyp, könnte vielfältig eingesetzt werden. Foto: picture alliance/dpa/TASS

Über den Wolken muss der Akku wohl grenzenlos sein – so könnte eine neue Version des Klassikers von Reinhard Mey klingen, wenn das Geschäftsmodell des israelischen Start-ups Eviation Aircraft langfristig Erfolg haben sollte. Denn dessen Mitgründer und Chef Omer Bar-Yohay möchte Flugzeugen mit Elektroantrieb endlich zum Durchbruch verhelfen und dabei ganz nebenbei mit seinen Lufttaxis den Verkehr aufmischen.

Das Unternehmen scheint eines der großen Probleme auf dem Weg zum emissionsfreien Flieger gelöst zu haben: die relativ schweren Batterien mit ihrer im Vergleich zum klassischen kerosinbetriebenen Antrieb geringen Leistung. Deshalb galt dieses Konzept lange Zeit als unattraktiv. Wenn es überhaupt zu einem Technologiewechsel kommt, dann nur durch Brennstoffzellen, erklärten die Experten immer. Und bis das so weit sei, könne es noch ein Weilchen dauern.

EXPERIMENTE Im Jahr 2015 ging dann Bar-Yohay mit Omri Regev und Aviv Tzidon, zwei weiteren Fachleuten aus der Luftfahrt, an den Start und gründete in Tel Aviv Eviation Aircraft. Erst experimentierte man mit kleinen Drohnen, um auszuloten, wie es um die Aerodynamik und andere technische Feinheiten bestellt ist, wenn der Antrieb elektrisch wird.

Schließlich wagte man Größeres. Zuerst verbündete sich Eviation mit der amerikanischen Embry-Riddle Aeronautical University, um auf deren Campus in Prescott, Arizona, ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm auf die Beine zu stellen, sodass dann auf der Pariser Luftfahrtschau im Juni 2019 ein erster Prototyp mit dem Namen »Alice« gezeigt werden konnte.

Die Maschine sollte zwei Besatzungsmitglieder und neun Passagiere aufnehmen können.


Dieses mit Lithium-Polymer-Batterien ausgestattete Modell hatte drei 260 Kilowatt starke Elektromotoren von Siemens, die zwei Propeller an den Tragflächenspitzen sowie einen am Heck des tropfenförmigen Rumpfs antreiben. Die Maschine, die weitgehend aus ultraleichten kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen besteht, sollte zwei Besatzungsmitglieder sowie neun Passagiere mit ihrem Gepäck aufnehmen können und mit einer Geschwindigkeit von 480 km/h über 1000 Kilometer weit fliegen.

VARIANTE Doch vom Boden abgehoben ist »Alice« nie. Zum einen ging der in Paris gezeigte Prototyp im Januar 2020 in Arizona bei Tests in Flammen auf. Eine der Batterien hatte Feuer gefangen – kein gutes Omen. Doch aufgeben wollte das Team um Bar-Yohay nicht. Also wurde eine zweite Variante in Angriff genommen, diesmal ohne Propeller am Heck, dafür aber mit 280 Kilowatt starken Elektromotoren von MagniX, einem Unternehmen, das zum in Singapur ansässigen Konzern Clermont Group gehört, der wiederum seit September 2019 für 76 Millionen Dollar rund 70 Prozent der Anteile von Eviation Aircraft gekauft hat und so deren größter Investor wurde.

Auch soll die neue »Alice«, die sich noch in der Entwicklung befindet, 4,8 Meter länger sein als die alte. Dafür ist sie mit einer voraussichtlichen Reisegeschwindigkeit von 407 km/h etwas langsamer und kommt auch nur 815 Kilometer weit. Dennoch liegen bereits reichlich Bestellungen für das etwa vier Millionen Dollar teure Elektroflugzeug vor. Auf der Pariser Luftfahrtschau 2019 bestellte die US-Regionalfluggesellschaft Cape Air eine »zweistellige Anzahl«, wie es bei Eviation Aircraft heißt. »Bloomberg« spricht im Oktober 2019 bereits von insgesamt 150 Bestellungen, die es gebe.

Die Technik von »Alice« könnte die Vorlage für ein Flugtaxi werden.

Unlängst machte das Unternehmen erneut Schlagzeilen, weil die Deutsche Post DHL Group zwölf Frachtversionen von »Alice« bei den Israelis bestellte. Bis 2024 sollen diese ausgeliefert sein – für ein Flugzeug, das noch keinen einzigen Probeflug absolviert hat, eine gewagte Deadline. Doch noch in diesem Jahr soll endlich einer stattfinden, verspricht Bar-Yohay.

POTENZIAL Dennoch ist das große Interesse an Eviation Aircraft auffällig. Der Grund dafür ist das riesige Potenzial, das man den Flugtaxis zuspricht. Experten wie Florian Holzapfel von der TU München halten laut »Business Insider« ein Volumen von 200 Milliarden Dollar und mehr für möglich, das der Markt in einigen Jahren haben könnte. Mittlerweile arbeiten über 100 Unternehmen weltweit an solchen Konzepten – entsprechend gewaltig ist der Hype, weshalb bei Investoren das Portemonnaie sehr locker sitzt.

Auch die Technik von »Alice«, die laut Hersteller nur ein Fünftel der Betriebskosten von konventionellen Turboprops ausmachen soll, könnte die Vorlage für ein solches Flugtaxi werden. »Es darf nicht mehr kosten als ein Busticket«, so Bar-Yohay. »Wenn man dem Flugzeug wie einem Tesla einen elektrischen Antrieb verpasst, werden die Betriebskosten lächerlich niedrig sein.« Emissionsfrei abheben soll also bald zum Discountpreis möglich werden.

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025