Sehen!

Else Meidner

»Es gibt Pflanzen, die gedeihen, wenn man sie verpflanzt. Aber ich konnte nie neue Wurzeln schlagen. Meine Wurzeln sind in Berlin geblieben.« Diese Zeilen schrieb die Künstlerin Else Meidner (1901–1987) im Londoner Exil. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges floh sie aus Nazi-Deutschland nach Großbritannien. Während ihr Mann, der Maler und Grafiker Ludwig Meidner, 1953 in die Bundesrepublik zurückkehrte, blieb sie, von einem mehrmonatigen Deutschlandbesuch abgesehen, bis zu ihrem Tod in London.

Wie die eingangs zitierten Zeilen belegen, fühlte sich Else Meidner in Großbritannien trotz Einbürgerung nicht heimisch. Dort gelang es ihr auch nicht, an ihre früheren künstlerischen Erfolge anknüpfen. Die Mühsal und die Widersprüche des Lebens im Exil schlugen sich unmittelbar in ihrer Kunst nieder, wie die aktuelle Schau Melancholia im Jüdischen Museum Frankfurt vor Augen führt.

»Meidner war in erster Linie Porträtistin«

»Meidner war in erster Linie Porträtistin«, sagt Ausstellungskurator Erik Riedel. Für die Kabinettpräsentation, die bis zum 2. März 2025 zweimal mit neuen Werken bestückt wird, hat er 57 großformatige Porträtzeichnungen der gebürtigen Berlinerin zusammengestellt. Ihr rund 1300 Werke umfassender künstlerischer Nachlass ist Teil des vom Jüdischen Museum seit 1994 betreuten Ludwig Meidner-Archivs.

Den gezeigten Porträts und Selbstporträts aus mehreren Dekaden ist der melancholische Gestus gemeinsam: Die porträtierten Personen sind mit in der Hand aufgestütztem Kopf dargestellt. Doch während die Zeichnungen in den 1920er- und 30er-Jahren noch lebensfroh, beschwingt oder zeittypisch »sachlich« wirken, vermitteln die seit den 50er-Jahren geschaffenen Bilder ein Gefühl von Müdigkeit, Trauer und Schmerz.

In ihren Aufzeichnungen formulierte Else Meidner ihr Mitgefühl für die unzähligen in der Schoa verlorenen Leben jüdischer Männer, Frauen und Kinder. Sie trauerte auch um ihre Schwester und ihren Vater. Diese Last und die Entbehrungen des Exils scheinen sich im dunklen, kräftigen Strich ihrer späten Blätter niederzuschlagen, die mitunter an Zeichnungen von Philip Guston denken lassen. Ihre letzten Werke schuf Else Meidner Mitte der 60er-Jahre. In Frankfurt besteht jetzt die Gelegenheit, das Œuvre einer zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Künstlerin wiederzuentdecken.

Alexander Estis

»Ich bin Pessimist – aber das wird bestimmt bald besser«

Der Schriftsteller über die Folgen der Kriege in der Ukraine und Nahost, Resilienz und Schreiben als Protest

von Ayala Goldmann  12.12.2024

Kino

Film-Drama um Freud und den Lieben Gott

»Freud - Jenseits des Glaubens« ist ein kammerspielartiges Dialogdrama über eine Begegnung zwischen Sigmund Freud und dem Schriftsteller C.S. Lewis kurz vor dem Tod des berühmten Psychoanalytikers

von Christian Horn  12.12.2024

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 12. Dezember bis zum 18. Dezember

 12.12.2024

London

Hart, härter, Aaron Taylor-Johnson

Ein Marvel-Schurke zu sein, ist körperlich extrem anstrengend. Dies räumt der jüdische Darsteller nach dem »Kraven The Hunter«-Dreh ein

 11.12.2024

PEN Berlin

»Gebot der geistigen und moralischen Hygiene«

Aus Protest gegen Nahost-Resolution: Susan Neiman, Per Leo, Deborah Feldman und andere verlassen den Schriftstellerverein

 11.12.2024

Medien

»Stern«-Reporter Heidemann und die Hitler-Tagebücher

Es war einer der größten Medienskandale: 1983 präsentierte der »Stern« vermeintliche Tagebücher von Adolf Hitler. Kurz darauf stellten die Bände sich als Fälschung heraus. Ihr »Entdecker« ist nun gestorben

von Ann-Kristin Wenzel  10.12.2024

Imanuels Interpreten (2)

Milcho Leviev, der Bossa Nova und die Kommunisten

Der Pianist: »Ich wusste, dass ich Bulgarien verdammt zügig verlassen musste«

von Imanuel Marcus  10.12.2024

Glosse

Der Rest der Welt

»Mein kleiner grüner Kaktus« – ein Leitfaden für Frauen von heute

von Nicole Dreyfus  10.12.2024

Gelsenkirchen

Bayern-Trainer Kompany: Daniel Peretz genießt mein Vertrauen

Daniel Peretz soll Manuel Neuer bis zum Jahresende im Bayern-Tor vertreten. Trainer und Mitspieler vertrauen dem Israeli. Neuer könnte in einem Monat in Gladbach zurückkehren

 10.12.2024