Wuligers Woche

Einfach mal den Mund halten

Meinungen sind wie rektale Körperöffnungen: Jeder hat eine. Und oft kommt auch dasselbe heraus. Foto: Thinkstock

Zu Chanukka wünsche ich mir dieses Jahr etwas Besonderes: keine Trump-Jerusalem-Debatte mehr. Es nervt allmählich. Zumal das Szenario das gleiche ist wie schon bei gefühlt Hunderten Nahostdiskussionen vorher: In oder wegen Israel passiert etwas.

Prompt meldet sich jeder, der schon mal von der Gegend gehört hat, zu Wort und gibt seinen Senf dazu. Tut nichts zur Sache, dass die meisten, die sich so leidenschaftlich äußern, Israel wahrscheinlich im Atlas nicht finden würden oder, wie die ZDF-»heute«-Nachrichten vorige Woche, Abbas mit Arafat verwechseln.

»Nahostexperten« Der Überzeugung tut das keinen Abbruch, im Gegenteil. Nicht fehlen darf dabei natürlich auch eine kritische jüdische Stimme, in diesem Fall die eines abgebrochenen Rabbinatsstudenten, der bei der Deutschen Welle als Nahost- und USA-Experte auftritt. Um ein amerikanisches Sprichwort unanstößig zu übersetzen: Meinungen sind wie rektale Körperöffnungen: Jeder hat eine. Und oft kommt auch dasselbe heraus.

Das wäre nicht weiter schlimm, wenn nicht von unsereins auch noch erwartet würde, dass wir zu diesen Auswürfen Stellung beziehen: »Und was sagst du dazu?« Formal ist das ein Fragesatz, tatsächlich eine Anklage. Erwartet wird nicht eine Antwort, sondern eine Distanzierung oder schuldbewusstes Auf-den-Boden-Blicken. Wer naiverweise trotzdem versucht, sachlich darauf einzugehen und die Komplexität der Materie zu erläutern, erntet meist nur weitere Vorwürfe: »Mit dir kann man nicht reden.« Will ich mit euch auch schon lange nicht mehr.

Ich habe auch keine Lust auf arabische Folklore-Aufführungen am Brandenburger Tor und in Berlin-Neukölln, bei der die Teilnehmer, in malerische Gewänder aus der Heimat gehüllt, traditionelle Stammestänze aufführen, zu exotischen Gesängen wie »Khaybar, Khaybar, ya yahud, jaish Muhammad sayud« – »Juden, erinnert euch an Khaybar, die Armee Mohammeds kommt wieder!« (Khaybar war der islamischen Legende nach eine von Juden besiedelte Oase auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien, die im Jahr 628 n.d.Z. von Mohammed und seiner Armee erobert wurde. Viele der Bewohner wurden massakriert, ihre Frauen und Kinder versklavt. Die Überlebenden mussten als Schutzgeld die Hälfte dessen, was sie produzierten, an die Muslime abgeben.)

Cousins Nichts gegen Traditionspflege. Aber es gibt ausreichend palästinensische Kulturvereine, oft aus öffentlichen Mitteln großzügig gefördert, in deren Räumlichkeiten unsere abrahamitischen Cousins ihr Brauchtum pflegen können, ohne andere dabei zu stören. Wir führen ja auch kein Purimspiel vor der iranischen Botschaft auf. (Obwohl das mal eine aparte Idee wäre.)

Aber ich wollte ja kein Wort mehr zu Trump und zu Jerusalem verlieren. Außerdem habe ich andere Probleme: Weiß jemand zufällig, wo ich noch Chanukkakerzen bekomme? Vor lauter politischer Aufregung bin ich nicht dazu gekommen, welche zu kaufen. Die ich noch habe, reichen nur bis zum vierten Tag. Und auf ein Wunder will ich lieber nicht vertrauen.

Genetik

Liegt es in der Familie?

Eierstockkrebs ist schwer zu erkennen. Warum ein Blick auf den Stammbaum nützen kann

von Nicole Dreyfus  23.11.2025

Hebraica

»Was für ein Buchschatz!«

Stefan Wimmer über die Münchner Handschrift des Babylonischen Talmuds als UNESCO-Weltkulturerbe

von Stefan Wimmer  23.11.2025

Aufgegabelt

Linsenpfannkuchen von König David

Rezept der Woche

von Jalil Dabit, Oz Ben David  22.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025