NS-Raubkunst

Eine Frage der Herkunft

LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster Foto: imago images/Rüdiger Wölk

Im Nationalsozialismus wurden viele Juden ihres Eigentums beraubt. Unter den Besitztümern befanden sich auch wertvolle Kunstwerke, die später in Museen und Galerien wieder auftauchten.

Nicht zuletzt seit dem spektakulären Kunstfund bei dem Kunsthändler-Sohn Cornelius Gurlitt im Jahr 2012 sind Provenienzforscherinnen und -forscher damit beschäftigt, die Besitzgeschichte von Werken in deutschen Museen zu klären. Wie das funktioniert, zeigt ab Freitag die Ausstellung Eine Frage der Herkunft. Geschichte(n) hinter den Bildern im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster.

schicksale »Man erfährt viel über Menschen und Schicksale«, sagt Eline van Dijk. Die Kunsthistorikerin forscht zur Herkunft (Provenienz) von Werken im LWL-Museum und hat in den vergangenen zwei Jahren dessen Bestand der klassischen Moderne genau unter die Lupe genommen.

»Man erfährt viel über Menschen und Schicksale«, sagt die Provenienzforscherin Eline van Dijk.

Ihr Blick richtete sich dabei besonders auf Bilder, die nach 1933 in die Sammlung kamen und deren Vorbesitzer jüdisch klingende Namen hatten oder die aus Archiven von Kunsthändlern stammen, die schon einmal mit Raubkunst in Zusammenhang standen.

Bei ihren aufwendigen Recherchen geht van Dijk mit detektivischem Spürsinn vor, sie wälzt Inventarverzeichnis in Archiven, korrespondiert mit Kunsthändlern, durchforstet das Internet nach Hinweisen und tauscht sich mit Kollegen aus.

arbeitskreis Dem bundesweiten Arbeitskreis Provenienzforschung gehören nach eigenen Angaben rund 330 Forscherinnen und Forscher an, die der Herkunftsgeschichte insbesondere von NS-Raubkunst nachgehen. Weitere Schwerpunkt ihrer Arbeit sind zudem in der ehemaligen DDR enteignete oder aus kolonialen Kontexten stammende Kulturgüter.

»Man muss sehr akribisch vorgehen und einen Misserfolg aushalten können«, sagt van Dijk. Denn nicht bei jedem Bild lasse sich die Herkunft lückenlos klären. Solche Objekte werden dann in der sogenannten Lost Art-Datenbank veröffentlicht, die vom 2015 gegründeten Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg betrieben wird.

Das frei zugängliche Internet-Portal vernetzt Provenienzforscher, Kunsthändler und Menschen, die nach geraubter Kunst suchen. Das Zentrum Kulturgutverluste fördert nach eigenen Angaben derzeit Projekte in rund fünf Dutzend Museen, Bibliotheken und Archiven – darunter das LWL-Museum in Münster.

führermuseum Die Ausstellung zeigt in vier Räumen 17 Gemälde aus der Sammlung des Museums des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Der erste Teil gibt Einblick in die Provenienzforschung am Beispiel von Carl Blechens um 1820 entstandene »Romantische Landschaft mit Ruine«. Das Bild wurde wahrscheinlich vor 1914 von Julius Freund in Berlin gekauft und gelangte 1933 in die Schweiz, wo es von den Nationalsozialisten für ein geplantes Führermuseum erworben wurde.

1969 kam es als Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland nach Münster. Das LWL-Museum gab es nach Klärung der Herkunft 2005 an die Erben von Julius Freund zurück und kaufte es diesen 2010 wieder ab.

Man müsse sehr akribisch vorgehen und einen Misserfolg aushalten können, erklärt die Kunsthistorikerin.

Der zweite Raum versammelt Werke, deren Herkunft als unbedenklich gilt. Dazu gehört etwa das 100 Jahre alte Gemälde »Frau mit verbundenem Kopf« von Karl Schmidt-Rottluff. Anhand eines Zeitstrahls, der sich über die Wand zieht, können Besucherinnen und Besucher den Weg des Bildes bis heute nachverfolgen. Fotos, Briefe und alte Ausstellungs- und Auktionskataloge machen das Thema zudem anschaulich.

indizien Im dritten Ausstellungsbereich werden Kunstwerke präsentiert, die eine offene oder lückenhafte Herkunft aufweisen, aber bisher keinerlei Indizien auf NS-Raubkunst geben. In diesen Fällen erhofft sich van Dijk neue Hinweise durch die Ausstellung.

Als bedenklich stuft die Provenienzforscherin die Herkunft von Max Liebermanns Gemälde »Getreideernte« (1874) ein, das im Mittelpunkt des letzten Raumes steht. In langwieriger Recherche hat van Dijk herausgefunden, dass es Paul Stern gehörte, der von den Nazis in ein Sammellager in München verschleppt wurde, wo er sich am 9. Juni 1942 das Leben nahm. Das Bild selbst tauchte 1979 bei Sotheby’s in London wieder auf. Wer es damals zur Auktion gab und wer es erwarb, ist bislang nicht bekannt. In das LWL-Museum kam es 1998 als Schenkung der privaten Sammler Dorothea und Günther Kern.

Zur Ausstellung, die bis 10. Januar zu sehen ist, erscheint eine Publikation mit dem Titel Eine Frage der Herkunft. Netzwerke, Erwerbungen, Provenienzen. Eline van Dijks Forschungsprojekt im LWL-Museum ist damit nicht beendet. Ab Herbst untersucht sie die Besitzgeschichte der Gemäldebestände aus dem Mittelalter sowie dem 16. bis 19. Jahrhundert.

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024