Touro College

»Ein Zeichen setzen«

Peter Klein Foto: PR

Touro College

»Ein Zeichen setzen«

Peter Klein über Semesterstart, Holocaust-Studien und pädagogische Vermittlung der Schoa

von Christine Schmitt  07.11.2016 21:19 Uhr

Herr Klein, das Wintersemester hat begonnen, als einzige Universität in Deutschland bietet das Touro College seit 2007 den Studiengang Holocaust Communication and Tolerance an. Wie kam es dazu?
Der Gründer des Touro College in den USA, Bernard Lander, hat 2005 und 2006 die Kontroversen und den Aufbau des Holocaust-Mahnmals mitverfolgt. Als er damals Berlin besuchte, nahm die Idee Gestalt an, neben Business Administration and Management auch einen Holocaust-Studiengang aufzubauen, der sich an dem amerikanischen Fach »Jewish History – Holocaust History« orientieren sollte. Die Aufgabe übernahmen damals Sara und Andreas Nachama.

Mit wie vielen Studenten haben Sie im Wintersemester 2007 begonnen?

Mit acht oder neun, was sich übrigens als ideale Gruppenstärke erwiesen hat: Die Betreuungssituation ist dadurch hervorragend.

Jeder Student hat bereits ein abgeschlossenes Studium, kommt also bereits mit Vorkenntnissen. Was lernt er zusätzlich bei Ihnen?
Es gibt drei verschiedene Ebenen, die wir in der Lehre abdecken wollen. Zum einen sind das die Geschichte des Holocaust, seine Grundzüge und Nachwirkungen. Zum anderen müssen wir solche Forschungsergebnisse in zeitgemäße pädagogische Konzepte umsetzen.

Was genau hat sich bei den Konzepten in den letzten Jahren verändert?
Wir müssen daran denken, dass sich heutige Schüler in ihrer ethnischen Zusammensetzung von den Schülern der 80er-Jahre völlig unterscheiden. Dieses Thema etwa in einer multikulturellen Klasse zu vermitteln, ist schwerer geworden, weil man – in der extremen Ausprägung – Schüler hat, die sagen: »Das geht mich nichts an, das ist nicht Teil meiner Geschichte, warum soll ich mir das antun?« Da müssen andere Konzepte her, die ihnen zeigen, dass es durchaus Sinn macht, sich damit zu beschäftigen. Mit Schülern mit arabischem oder islamischem Hintergrund muss man da ganz anders arbeiten als etwa mit Schülern aus Polen oder Russland.

Welche Ansätze haben sich da bewährt?
Erst einmal ist es wichtig, mit den Schülern über ihre eigene Situation in einem fremden Land zu sprechen, und die Frage stellen, warum die Familie von A nach B gegangen ist. Anhand dieses Beispiels kann man dann über Vor- und Nachteile von Emigration sprechen und darüber, welche Mechanismen zu dieser Familienentscheidung geführt haben. Man wird dabei immer auf dieselben Handlungsmuster stoßen.

Und so kann Vermittlung gelingen?
Genau. Mit den Mustern anzufangen, bedeutet, diese Menschen vernünftig einzubinden. Dann merken sie mit der Zeit, dass es auch Sinn macht, sich mit der Schoa auseinanderzusetzen.

Geschichte und pädagogische Konzepte sind zwei Ebenen. Auf welchem weiteren Schwerpunkt ist das Fach aufgebaut?
Jüdische Geschichte in Europa. Man kann sich im Studiengang nicht nur auf den Holocaust konzentrieren, denn dann könnte man gar nicht wertschätzen, was Europa an kulturellen oder sozialen Beiträgen verloren hat. Deshalb ist der Studiengang kombiniert mit einem guten Teil jüdischer Geschichte, die im Mittelalter beginnt und bis zur Gegenwart reicht. Ebenso gibt es auch eine Religionsgeschichte. Dieser Teil wird in Kooperation mit dem Fachbereich Judaistik der FU Berlin gelehrt.

Wer am Touro College studiert, muss normalerweise eine vierstellige Studiengebühr zahlen. Anders bei diesem Studiengang. Warum die Ausnahme?
Wenn man so etwas studieren möchte, kann man sich hohe Gebühren nicht leisten, denn ein anschließender Job wird nicht so gut bezahlt, um Kredite rasch zurückzahlen zu können. Außerdem möchte Touro New York ein Zeichen setzen: Wenn es schon die Deutschen in ihrem öffentlichen Hochschulwesen nicht schaffen, so etwas anzubieten, dann machen wir das.

Welche beruflichen Möglichkeiten haben die Studenten danach?
Alle sind themennah in der Vermittlung, Forschung oder Pressearbeit tätig. Im Herbst 2015 hatten wir insgesamt 20 Absolventen. Von ihnen sind fünf in die Wissenschaft gegangen, die anderen arbeiten bundesweit in Gedenkstätten, Verbänden oder Jüdischen Gemeinden, bei Organisationen wie »Zeugen der Zeitzeugen«, »Aktion Sühnezeichen« oder am Institut für Zeitgeschichte.

Mit dem Dozenten am Touro College Berlin, sprach Christine Schmitt.

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025