Fernsehen

Ein Schoa-Mahnmal in Israel und zwei Brüder mit dunkler Vergangenheit

»Ah, persönlich betroffen, was?« Die jüdische Kommissarin Nina Rubin (Meret Becker) und ihr Kollege Robert Karow (Mark Waschke) ermitteln wieder. Foto: imago

Der eine ist »Keller-West«, der andere »Keller-Ost«. Der eine ist Wendegewinner, der andere Wendeverlierer. Im neuen Berliner »Tatort« geht es um die deutsche Geschichte, um alte und um neue Nazis, um Stasi-Funktionäre in der Familie.

Und um zwei alte Brüder. Eines Tages liegt der West-Berliner Bruder (Rolf Becker) erschossen auf einer Dachterrasse, um den Hals ein Schild, auf dem steht: »Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen.«

Das klingt nach Zweitem Weltkrieg. Klaus Kellers Familienunternehmen steckte im Bau eines Holocaust-Dokumentationszentrums in Israel, Versöhnung lag ihm am Herzen. Waren es also Neonazis? Spielte Judenfeindlichkeit eine Rolle?

Um den Hals des Toten hängt ein Schild, auf dem steht: »Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen.«

Fast wäre es ein Fall für den politischen Staatsschutz, aber eben nur fast. So machen sich Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) am kommenden Sonntagabend in ihrem 12. Fall auf Verbrecherjagd. Zur Erinnerung: Kommissarin Rubin ist ein Wessi und jüdisch, ihr Kollege Karow ein Ossi mit Hang zur Arroganz und Direktheit: »Ah, persönlich betroffen, was?«, sagt er zu ihr am Tatort.

VERGANGENHEIT Schon bald stoßen sie auf die Verwerfungen in der Verwandtschaft: Beide Brüder hatten Jahrzehnte keinen Kontakt. Die Vergangenheit ragt ins Heute hinein. Es stellt sich die Schlüsselfrage vieler deutscher Familien: War Opa ein Nazi? Was wollte Klaus Keller auf der Feier zu seinem 90. Geburtstag beichten? Kann die Kellnerin im Stammlokal der Familie bei der Aufklärung helfen? Nach und nach rollt sich die Familiengeschichte auf, das Geheimnis der Brüder kommt zu Tage.

Der Krimi mit dem Titel »Ein paar Worte nach Mitternacht« ist interessant besetzt. Jörg Schüttauf, früher selbst »Tatort«-Kommissar in Frankfurt, spielt einen »völkischen« Politiker mit Druckerei-Betrieb, Stefan Kurt den Unternehmersohn, der in einer Villa mit Pool lebt. Randnotiz: Der ermordete Seniorchef im Film, Rolf Becker, ist der Vater von Meret Becker.

Nach und nach rollt sich die Familiengeschichte auf, das Geheimnis der Brüder kommt zu Tage.

Es ist kein »Tatort« zum Nebenbeigucken. Bei der verwickelten Auflösung muss man aufpassen. Und sie ist etwas theatralisch. Insgesamt ist es aber ein sehenswerter Sonntagskrimi, für Regisseurin Lena Knauss ein Debüt im ARD-Flaggschiff.

VERSTRICKUNGEN Sie reizte die Historie als Familiengeschichte: »Im Vordergrund steht für mich das menschliche Drama, über drei Generationen hinweg. Mich hat interessiert, welche Verstrickungen da im Verborgenen gehalten werden«, sagt Knauss.

Die Kommissare tragen das Format souverän. Bis 2022 sind die beiden noch als Team zu sehen, dann steigt Becker aus. Ihre Nachfolgerin wird Corinna Harfouch. Bis dahin ist noch etwas Zeit für Karow und Rubin. Sie sind keine Freunde, aber können ganz gut miteinander. Im neuen Fall erfährt man: Das erste, was sich Karow nach dem Mauerfall im Westen kaufen wollte, war eine Stretchhose. cb

»Tatort - Ein paar Worte nach Mitternacht« wird am 4. Oktober um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

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