Nachruf

»Unter dayne vayse Shtern«

Eva-Maria Hagen (1934–2022) Foto: picture alliance / dpa

Nachruf

»Unter dayne vayse Shtern«

Zum Tod von Eva-Maria Hagen: Erinnerungen an eine höchst eigenständige Künstlerin und Sängerin

von Gernot Wolfram  27.08.2022 21:15 Uhr

An Eva-Maria Hagen zu erinnern, heißt, sie nicht nur als ehemalige Lebensgefährtin von Wolf Biermann oder als Mutter der Punk-Röhre Nina Hagen wahrzunehmen. In Wirklichkeit war sie eine höchst eigenständige Schauspielerin und Sängerin, die sich vor allem im Alter intensiv mit russischem, baltischem und jüdischem Liedgut beschäftigte.

DDR 1934 in Költschen geboren, wurde Hagen 1945 nach Perleberg vertrieben. Sie entfloh der Provinz, ging für ein Schauspielstudium nach Ost-Berlin und wurde von Bertolt Brecht für das Stück Katzengraben entdeckt. In der DDR wurde sie als »Brigitte Bardot des Ostens« gefeiert, nachdem sie in dem Film Vergesst mir meine Traudel nicht ein naives Mädchen im Großstadtdschungel gespielt hatte.

In der DDR zunehmend schikaniert, entschloss sie sich, in die Bundesrepublik überzusiedeln. Mit dem Buch Eva und der Wolf lieferte sie eine persönliche Geschichte über das Dasein als Künstlerin in der DDR. Weniger bekannt sind ihre Interpretationen jüdischer und russischer Lieder, ihr genaues Gespür für den Umgang mit der Poesie dieser Werke. Zur Jahrtausendwende erarbeiteten wir gemeinsam die Konzertcollage Die Flucht auf der Einbahnstraße. Wenn Eva-Maria Hagen die Gedichte von Jakob van Hoddis sprach oder Lieder aus dem Wilnaer Ghetto sang, dann tat sie es ohne sentimentalen Gestus. Trotzig, aufrichtig und aus dem Bewusstsein ihrer eigenen Biografie heraus.

JIDDISCH Eines der Lieder, das sie sehr liebte, war Abraham Sutzkevers »Unter dayne vayse Shtern«, das er 1943 als eine verzweifelte Gottsuche schrieb. Sie wollte es aber auf keinen Fall auf Jiddisch singen. »Es muss eine gute Übersetzung sein, sonst glauben mir die Leute das nicht.« Sie war damals mit keiner Übersetzung zufrieden. Schweren Herzens verzichtete sie darauf, es zu singen. Es muss »funkeln und donnern«, wie sie lachend sagte, »sonst kann man es mit der Kunst lassen«.

Hagen hatte kein Problem damit, in den Klatschspalten des Boulevards aufzutauchen. Wenn es aber um ihr Schreiben und ihre künstlerische Integrität ging, vertraute sie auf den kleineren Kreis des Publikums, der ihre Anliegen verstand. Ich habe selten eine Künstlerin erlebt, der es mit einem so wunderbaren Lachen ernster war mit der eigenen Glaubwürdigkeit. Eva-Maria Hagen starb am 16. August 2022.

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025