Meinung

Ein Lied gegen die Angst

In diesem Jahr brauchen wir inmitten der Corona-Pandemie viel mehr als nur Adam Sandlers »Hanukkah Song«

von Sophie Albers Ben Chamo  10.12.2020 09:16 Uhr

Sophie Albers Ben Chamo Foto: Privat

In diesem Jahr brauchen wir inmitten der Corona-Pandemie viel mehr als nur Adam Sandlers »Hanukkah Song«

von Sophie Albers Ben Chamo  10.12.2020 09:16 Uhr

Es war die siebte Nacht von Chanukka vor 26 Jahren, als ein sehr junger Adam Sandler in der amerikanischen TV-Show Saturday Night Live zum ersten Mal den »Hanukkah Song« anstimmte, um jüdischen Kindern in aller Welt ein cooles neues Lied zu verpassen, mit dem sie gegen die bimmelnde, glitzernde, überzuckerte Weihnachtsübermacht anlachen konnten: »When you feel like the only kid in town without a Christmas tree/Here’s a list of people who are Jewish just like you and me …«

Nein, dieses Jahr fühlt sich so gar nicht nach einer Lachnummer aus dem Adam Sandler’schen Spaßlabor an. Dabei hat er dem »Hanukkah Song« sogar noch drei Updates verpasst, über die sich jedes Jahr immer wieder wunderbar schreiben lässt.

Stille Aber dieses Jahr ist anders. Dieses Mal brauchen wir anstatt vorlauter Witzigkeit vor allem eines: Hoffnung. Diese Stille da draußen, die fast alle Länder der Welt erfasst hat, ist so gespenstisch wie unser Starren auf die neuesten Statistiken zu Infektionen, schweren Verläufen, Übersterblichkeit und Antisemiten bei Demos gegen die Corona-Maßnahmen.

Dass wir nicht wissen, wie lange sich das Covid-19-Virus noch halten wird, wann die Impfung kommt, wann wir wieder reisen können, was dieses Jahr noch alles bringen wird und ob wir die Kerzen diesmal alleine zünden müssen, ist mindestens beunruhigend.

Ohnmacht Für viele Menschen ist es schlichtweg beängstigend. Doch wie schon zu Pessach und Jom Kippur, als der Wunsch »Nächstes Jahr in Jerusalem« plötzlich einen überwältigend aktuellen Klang hatte, macht auch Chanukka in diesem Jahr vielleicht sogar für solche Juden Sinn, die sonst die Chanukkia im Schrank lassen. Geht es in der Geschichte der Makkabäer doch auch um Angst und darum, sie zu bewältigen. Um das Gefühl der Ohnmacht angesichts von Bedrohungen aus allen Richtungen.

Und um den Mut, dagegenzuhalten, nicht aufzugeben, sondern die Situation zu begreifen und damit umzugehen. Nicht der Angst die Führung zu überlassen. Denn wenn die Angst uns leitet, werden wir hektisch und damit ungenau, unüberlegt und somit leicht manipulierbar. Besiegbar eben.

Von dem chassidischen Rabbi Nachman ben Simcha ist ein Ausspruch überliefert: »Kol ha-olam kulo gesher tzar me’od v’ha-ikkar lo le’fached k’lal« – die ganze Welt ist eine schmale Brücke, das Wichtigste ist, sich nicht zu fürchten. Ein Mantra, das wir, konfrontiert mit den mannigfaltigen Krisen allerorten, gut gebrauchen können. Ja, der Weg ist gefährlich, aber lasst euch nicht aus dem Tritt bringen!

Ofra Haza Dank der Komposition des amerikanisch-israelischen Rabbiners Baruch Chait, der Rabbi Nachmans Worte gegen die Angst als Soldat am Ende des Jom-Kippur-Kriegs vertont hat, bietet sich dieses Jahr ein neuer Chanukka-Song an, den jedes Kind in Israel bereits kennt und den man sich noch besser merken kann als den von Adam Sandler: »Kol ha-olam kulo gesher tzar me’od« – am besten in der Version von Ofra Haza. Und jetzt alle!

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024

Memoir

Überlebenskampf und Neuanfang

Von Berlin über Sibirien, Teheran und Tel Aviv nach England: Der Journalist Daniel Finkelstein erzählt die Geschichte seiner Familie

von Alexander Kluy  21.04.2024