Wuligers Woche

Ein Kommunist für Israel

Hermann L. Gremliza (1940–2019) Foto: dpa

Juden und Linke: Das ist die Geschichte einer enttäuschten Liebe. Viele jüdische Sozialisten sind aus ihrer einstigen politischen Heimat von dem dort verbreiteten Antisemitismus vertrieben worden. Vielleicht wären es weniger gewesen, wenn es mehr Menschen wie Hermann L. Gremliza gegeben hätte, der am 20. Dezember 2019 im Alter von 79 Jahren gestorben ist.

Gremliza war Kommunist. Die liberale Gesellschaft verachtete er zutiefst. Er hielt es mit dem marxistischen Philosophen Georg Lukács, für den selbst der schlechteste Sozialismus noch besser war als der beste Kapitalismus. Doch in einem entscheidenden Punkt stand Gremliza stets konsequent gegen seine Genossen: Er war ein geschworener Feind jedes Antisemitismus, einschließlich des Antizionismus. »Israel ist der Staat, dessen ganzer Zweck der Schutz jüdischen Lebens ist«, schrieb er einmal.

haltung »Verlören die Juden ihn, wären sie erneut den Launen der Antisemiten und anderer Proletarier aller Länder preisgegeben. Wer staatliche Herrschaft angreifen will, hat weltweit 200 Stück zur Auswahl. Eine Linke, die aus eigener Kraft so gut wie nichts mehr vermag, sollte wenigstens alles unterlassen, was Israel im Kampf um seinen Bestand behindern könnte.«

Die zahlenmäßig zwar kleine, aber politisch einflussreiche prozionistische linke Strömung ist Gremlizas Erbe.

Diese Haltung, die auch die Linie der von ihm 45 Jahre lang herausgegebenen Monatszeitschrift »konkret« war, trug mit dazu bei, Gremliza in der deutschen Linken zu isolieren. Das war ein Preis, den er gern zahlte. Er war sich seiner politischen Erfolglosigkeit bewusst; gelegentlich kokettierte er sogar damit. Paradoxerweise war es ausgerechnet seine Haltung zu Israel, mit der er tatsächlich reale Wirkung hatte. Die israelsolidarische Linke, die es so nur in Deutschland gibt, hat Hermann L. Gremliza maßgeblich geprägt.

BDS Diese zahlenmäßig zwar kleine, aber politisch einflussreiche Strömung ist sein Erbe. Sie reicht von den Universitäten, wo prozionistische linke Gruppen an vorderster Front gegen die Israelboykottbewegung BDS kämpfen, über Medien wie »konkret« und »Jungle World« bis inzwischen hinein in Bundestagsparteien.

Klaus Lederer und Katharina König von der Linkspartei gehören dazu, ebenso wie Kevin Kühnert von der SPD, dem vor wenigen Tagen beim Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Berlin spontan vom Publikum applaudiert wurde, als er sagte: »Israel ist ein Schutzraum und nicht infrage zu stellender Anlaufpunkt für Juden in aller Welt. Erst recht, wenn die Menschen, denen ich dort einen Schutzraum ermöglichen und sichern möchte, keinen zweiten davon auf der Welt haben.« Das hätte sinngemäß auch von Gremliza sein können. (Nur, dass der – pardon, Kevin Kühnert – es eleganter ausgedrückt hätte.)

Linke sind in der jüdischen Gemeinschaft eine kleine Minderheit. Aber in Deutschland können Juden links sein, ohne sich dafür schämen zu müssen. Das verdanken sie auch Hermann L. Gremliza. Alleine dafür: Ehre seinem Andenken.

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024