Interview

»Ein großer Brückenschlag«

Katharina Wagner Foto: dpa

Interview

»Ein großer Brückenschlag«

Katharina Wagner über das Gastspiel eines israelischen Orchesters und die Musik ihres Urgroßvaters

von Christian Böhme  12.10.2010 16:11 Uhr

Frau Wagner, das Israelische Kammerorchester unter der Leitung von Roberto Paternostro will Mitte 2011 erstmals in Bayreuth auftreten. Sie haben sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft für das Gastspiel zu übernehmen. Warum?
Vorweg: Ich finde es toll, dass Herr Paternostro so mutig war, auf die Stadt Bayreuth und mich zuzukommen. Er wagt wirklich einen großen symbolischen Brückenschlag. Weder Bayreuth noch ich hätten es gewagt, von uns aus die Initiative für einen solchen Auftritt zu ergreifen. Das wäre anmaßend. Aber als mir die Schirmherrschaft angetragen wurde, habe ich sie gerne übernommen.

In Israel ist die Aufregung groß: Ein Orchester des jüdischen Staates spielt – wenn auch nicht im Rahmen der Festspiele – in der Stadt des Antisemiten Richard Wagner. Können Sie den Unmut nachvollziehen?
Absolut. Mir war von vornherein klar, dass es derartig ablehnende Reaktionen geben würde. Und für die habe ich großes Verständnis. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten hätte, wenn ich selbst in irgendeiner Form von der Schoa betroffen wäre.

Hielte sich die Erregung womöglich in Grenzen, wenn die Schirmherrin nicht Katharina Wagner heißen würde?
Das ist schwierig zu sagen. Die Menschen wissen sicherlich, welcher Generation Katharina Wagner angehört. Und wer gut informiert ist, weiß auch, dass dieser Schritt nicht von mir oder der Stadt Bayreuth ausging, sondern Herr Paternostro als Leiter des israelischen Orchesters ist an uns herangetreten.

Richard Wagner wird in Israel so gut wie nie gespielt. Die wenigen Versuche, Hitlers Lieblingskomponisten zu Gehör zu bringen, endeten im Eklat. Ob sich das jemals ändern wird?
Da traue ich mir keine Prognose zu. Dass Betroffene eine starke Abneigung gegen Wagners Musik haben, ist für mich sehr gut nachvollziehbar.

Kann man bei Wagner überaupt das Musikalische vom Ideologischen trennen?
Das muss jeder für sich entscheiden. Es gibt sicherlich Menschen, die sich an den Opern als solchen erfreuen können. Nach dem Motto: Es gibt keine antisemitische oder politische Musik. Ich kann aber auch diejenigen gut verstehen, denen es unmöglich ist, den politisch-ideologischen Hintergrund des Komponisten und seine Verstrickungen in das NS-Regime auszublenden.

Als Sie die Leitung der Festspiele übernahmen, haben Sie angekündigt, die Nazivergangenheit des »Grünen Hügels« aufzuarbeiten. Wie weit ist das Vorhaben gediehen?
Relativ weit. Mir war es aber immer wichtig, dass ich nur alle Türen des Festspielhauses öffne, um das Archiv von unabhängigen Experten sichten und untersuchen zu lassen. Ich lege großen Wert darauf, nicht Teil dieses Projekts zu sein. Man soll mir nicht vorwerfen können, ich würde womöglich gezielt eingreifen, damit die Familie gut dasteht.

Mit der Leiterin der Bayreuther Festspiele sprach Christian Böhme.

Glosse

Der Rest der Welt

Superman kommt ins Kino – und wo sind die super Männer?

von Katrin Richter  13.07.2025

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 wohl nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  13.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  13.07.2025 Aktualisiert

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025