Sehen!

»Ein Glücksfall«

Lou de Laâge, Woody Allen und Melvil Poupaud (v.l.) Foto: ©2022 Gravier Productions, Inc.

Die europäischen Städte haben es Woody Allen, bekanntermaßen Fan des europäischen Autorenkinos, angetan. Er drehte in Barcelona, mehrfach in London, in Rom, sein letzter Film, der nostalgiegetränkte Rifkin’s Festival, spielte auf dem Filmfestival in San Sebastián, wo er auch Premiere feierte. Mit seinem 50. Film, Ein Glücksfall, kehrt der bis heute trotz juristischer Freisprüche von vielen kritisch gesehene Altmeister nach seinem fantastisch angehauchten Midnight in Paris in die französische Hauptstadt zurück. Der 88-Jährige ist nach wie vor fleißig und wagt auch im gehobenen Alter Neues: Ein Glücksfall ist sein erster auf Französisch gedrehter Film.

Den verträumten Bildern von Kameramann Vittorio Storaro ist Allens frankophile Ader freilich eingeschrieben. Hier, im wie auf einer Postkarte strahlenden Paris, treffen sich die Auktionshausmit­arbeiterin Fanny (Lou de Laâge) und Schriftsteller Alain (Niels Schneider) wieder. Er gesteht ohne Umschweife, dass er bereits an der Uni in New York in die Frau verliebt war, was ihr sichtlich imponiert und sie in ein moralisches Dilemma bringt. Denn zu Hause wartet ihr Gatte Jean (Melvil Poupaud), ein undurchsichtiger Businesstyp, der »Reiche noch reicher« macht, wie es einmal heißt, und in der herrschaftlichen Wohnung stolz mit seiner Modelleisenbahn spielt.

Allen arbeitet sich an seinen bekannten Themen ab, die Titel zu Filmbeginn und die Jazzmusik haben schon etwas von einer kinematografischen Corporate Identity.

Ein Glücksfall beginnt als Liebesfilm, denn natürlich bahnt sich eine Affäre zwischen Fanny und Alain an, und kippt nach und nach in den Thriller-Modus, als Jean etwas wittert. Das Motiv, an dem sich der Film entlanghangelt, spiegelt sich in den Geschichten des jungen Autors wider: Es geht um die Kraft des Zufalls, schließlich um Schuld und Sühne und ein vermeintlich perfektes Verbrechen. Nebenbei thematisiert der Film ironisch die Spielarten des gutbetuchten Großbürgertums.

Allen arbeitet sich an seinen bekannten Themen ab, die Titel zu Filmbeginn und die Jazzmusik haben schon etwas von einer kinematografischen Corporate Identity. Das ist alles nett anzusehen, doch einen wirklichen Drive entwickelt der nicht uncharmante, gut gespielte Film nicht. Allens Drehbuch neigt dazu, den Figuren und Ereignissen keine Geheimnisse zu lassen. Für das Porträt der Wohlstandsverwahrlosten ist der Film zu brav, für einen Thriller zu vorhersehbar. Am Ende wirkt Ein Glücksfall wie ein kühler Wiederaufguss von Match Point.

Der Film läuft ab 11. April im Kino.

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Antisemitismus

Konzert-Comeback: Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Xavier Naidoo kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorwürfe, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025