Ihre Filme sind uramerikanisch, aber trotzdem durchweht sie ein Hauch von Zen. Eine Arte-Dokumentation ergründet nun das sogenannte Koan der Coens. Dazu blickt die Britin Sarah Aspinall, die Filme für BBC und Channel 4 produzierte, zurück auf das nunmehr über 40-jährige Schaffen der beiden Brüder. Sie schufen mit ihrer unverkennbaren Handschrift Kultfilme wie »No Country For Old Men« und prägten das Independent-Kino wie kaum jemand sonst.
Kommentiert und eingeordnet wird das Werk der Coens von der britischen Filmkritikerin, Journalistin und Rundfunkmoderatorin Ellen E. Jones. Neben einem knappen Rückblick auf die Biografie der beiden filmverrückten Brüder, die als Jugendliche Rasen mähten, um mit dem Geld dafür die erste Kamera zu kaufen, führt die Regisseurin Interviews mit Darstellern, die im Werk der Coens unvergessliche Auftritte hatten. Da die Brüder Anfang der 1990er Jahre Kultstatus erlangten und zahlreiche charismatische Schauspieler engagieren konnten, kommen in der Dokumentation Hollywood-Größen wie George Clooney, John Malkovich, Tilda Swinton und Oscar Isaac zu Wort.
Für sich genommen muss diese Dichte an Glamour nicht notwendigerweise ein Qualitätsmerkmal einer Kulturberichterstattung sein. Denn aus zahlreichen dokumentarischen Porträts über Filmschaffende weiß man nur zu gut, dass prominente Schauspieler nicht automatisch auch interessante Dinge zu berichten wissen.
Bei den Coens ist das schon etwas anders. Aus einem Guss sind deren Filme nämlich unter anderem deswegen, weil sie ihre Grundidee jeweils konsequent auf einen Darsteller zuspitzen. Die Geschichte von Jeff Bridges, der in »The Big Lebowski« als kiffender Loser mit Bademantel und Boxershorts vor allem deswegen zur Kultfigur wurde, weil der Darsteller sich hier im Grunde selbst spielte, ist oft erzählt worden. Andere wie Clooney genießen es sichtlich, bei den Coens ihr Image radikal gegen den Strich zu bürsten.
Gespür für Frauenfiguren
Nun gut, was aber ist das Geheimnis der Coens? Sie realisieren Thriller, Komödien, Tragödien, Western, Musicals und Spionagefilme - wobei sie diese Genres jeweils neu erfinden und sich auf ihre unnachahmliche Art zu eigen machten. Aber wie genau machen sie das? Aspinall hebt hervor, dass die Brüder ein besonderes Gespür für interessante Frauenfiguren hätten. Ihre Doku konzentriert sich auf Joel Coens Ehefrau Frances McDormand. In »Fargo« spielt sie eine im siebten Monat schwangere Polizistin, die im Stil eines weiblichen Columbo einen blutigen Kriminalfall löst.
Einige Leitmotive der Coens fehlen jedoch. Da gibt es beispielsweise die haarsträubende Misere des Physikprofessors Larry Gopnik in »A Serious Man«, in dessen Leben alles schief geht, was schief gehen kann. Leider spart die Dokumentation gerade diesen Schlüsselfilm aus.
Auch die Verwurzelung des Brüderpaars in der jüdischen Kultur - die ihren paradoxen Humor prägt - wird nur ganz am Rande erwähnt. Dabei waren beide Seiten der Familie Coen osteuropäische Juden. Die Brüder gingen zur Talmud-Thora-Schule, wo sie auch Hebräisch lernten.
Ausgesucht dämlich
Vom Witz des großen jüdischen Filmintellektuellen Woody Allen heben sich die makabren Späße der Coens allerdings deutlich ab. Die Figuren der Brüder sind nun wirklich keine »Stadtneurotiker«. Im Gegensatz zu den starken Frauenfiguren porträtieren die Coens durchschnittliche männliche Charaktere, die eigentlich ihre Chance ergreifen wollen - doch im Zuge einer seltsamen, beinahe unheimlichen Folgerichtigkeit münden ihre Wege stets ins Unheil.
Die Männer in »Fargo«, »Burn after Reading« und anderen Meisterwerken verhalten sich dabei ausgesucht dämlich. Auf eine methodisch stringente Weise stellen sie sich immer wieder selbst ein Bein. Das verleiht diesen Porträts trotz ihrer grimmigen Komik eine tragische Dimension. Die Filme der Coens sind Symphonien des Scheiterns - ein Schlüsselthema, das man in dieser Dokumentation vermisst.
Grundlage des filmischen Porträts ist ein Gespräch, das Aspinall für eine frühere Doku bereits im Jahr 2000 anlässlich des damals aktuellen Films »O Brother, Where Art Thou?« führte. Dieses Material wurde aktualisiert und mit Archivaufnahmen ergänzt. Aktuelle Interviews führt Aspinall allerdings nur mit Jeff Bridges. Insofern entsteht in der Dokumentation der Eindruck einer Zeitreise zurück in die frühen 2000er Jahre.
Man erlebt die Coens so, wie sie vor über 25 Jahren aussahen. Von diesen Einschränkungen abgesehen, ist Aspinalls Porträt über die Brüder, das mit einem Blick auf die Solokarrieren der beiden endet, kurzweilig und durchaus sehenswert. Im Abspann erklärt Clooney, wir alle hätten ein falsches Bild von den Brüdern. Die Coens seien »weder jüdisch noch kommen sie aus Minnesota. Das ist alles Blödsinn«. Eigentlich, so Oscar Isaac, »besitzen sie eine Katzenfarm«.
»Die Coen Brüder – Eine amerikanische Geschichte«, Regie: Sarah Aspinall, Arte, 8. Dezember, 21.50 Uhr.