Griechenland

Wie das Dokumentarfilm-Festival in Thessaloniki an den Holocaust erinnert

Der Bahnhof von Thessaloniki während eines Bahnarbeiterstreiks im März 2023 (Symbolbild) Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Vor genau acht Jahrzehnten kam im März 1943 das Ende für mehr als 45.000 Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Thessaloniki - damals eine der größten jüdischen Gemeinden Südosteuropas. Nach jahrhundertelanger Blüte in der nordgriechischen Hafenstadt wurden die Menschen binnen weniger Wochen von den Nationalsozialisten deportiert und in Auschwitz ermordet. Aktuell widmet das traditionsreiche Dokumentarfilmfestival Thessaloniki in seiner 25. Ausgabe den schrecklichen Ereignissen eine Retrospektive.

»Es ist unsere Pflicht, mit einer Sonderretrospektive an diese schlimmen Tage unserer Geschichte und das schreckliche Schicksal der jüdischen Gemeinde der Stadt vor 80 Jahren zu erinnern«, sagte der Kulturchef des Filmfestivals, Orestis Anderadakis, am Donnerstag der dpa. Insgesamt werden zehn Dokumentationen gezeigt, darunter am Mittwochabend der Film »Kisses to the Children« (»Küss mir die Kinder«), in dem fünf Überlebende berichten, wie sie als Kinder von christlichen Familien aufgenommen wurden und den Holocaust überlebten.

Geschichte Für viele Besucher stellt die Retrospektive eine wichtige Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der Geschichte ihrer Stadt dar. »Ich habe immer wieder vieles von meinen Großeltern gehört und will sehen, was damals geschah«, sagte eine junge Frau vor der Vorstellung im Kino »Makedonikon«.

Die Geschehnisse wirken bis heute nach und sollen nicht vergessen werden: Vor zwei Wochen hat die Stadtverwaltung von Thessaloniki die Pläne für ein Holocaust-Museum unterschrieben. Es soll auf einem rund 10.000 Quadratmeter großen Gelände an jener Zugstation der Stadt entstehen, von der die Menschen einst deportiert wurden.

Das Dokumentarfilm-Festival thematisiert mit Filmen wie »By-standing and Standing-by« (etwa »Zusehen und beistehen«) und »Heroes of Salonica« (»Helden von Saloniki«) auch die Geschichte der sephardischen jüdischen Menschen, die von 1492 an aus Spanien und Portugal vertrieben wurden und in Thessaloniki im damaligen Osmanischen Reich Zuflucht fanden. »Heute sind wir nur noch wenige in Thessaloniki«, bilanzierten zwei ältere griechische Juden beim Besuch der Vorführung.

Deportation Thessaloniki war Jahrhunderte lang eine der wichtigsten Städte des Judentums im Mittelmeer. Die Nazis deportierten dem Zentralen Israelitischen Rat Griechenlands (KIS) zufolge von dort 46.091 Juden. Nur wenige von ihnen überlebten. Heute leben in Thessaloniki etwas mehr als 2000 griechische Juden.

In einigen Bars der Stadt an der Ägäis ertönt aus den Lautsprechern spät nachts noch sephardische Musik, etwa das Lied »Adio querida« (»Auf Wiedersehen Geliebte«), das in der spanisch-jüdischen Sprache Ladino von der Liebe, dem Verlust und Schmerzen erzählt. »Adio querida« lautet auch der Titel der Retrospektive, die noch bis zum Wochenende andauert.

Antisemitismus

Kanye behauptet, Juden wieder zu lieben

Der Rapper sorgte mit judenfeindlichen Aussagen für Empörung. Nun will er seine Meinung geändert haben

 27.03.2023

Berlin

»Solche Bilder vergisst man nicht«

Die Schau »Flashes of Memory« aus Yad Vashem zeigt Aufnahmen aus dem Holocaust

von Nina Schmedding  27.03.2023

Musik

Warum Jeff Goldblum morgens gern Klavier spielt

Bald gibt der Jazz-Pianist und Schauspieler ein großes Konzert in Berlin

 27.03.2023

Kino

»Ich stand immer auf Filme«

Sein nächstes – und letztes – Werk soll von der legendären jüdischen Filmkritikerin Pauline Kael handeln

von Anke Sterneborg  27.03.2023

Fotografie

Sinfonie einer Großstadt

Das Berliner Bröhan-Museum zeigt die ikonischen Bilder von Andreas Feininger aus New York

von Sabine Schereck  25.03.2023

Kulturtipp

Malabi und Schesch Besch

Unsere Israel-Korrespondentin Sabine Brandes hat einen Reiseführer über Tel Aviv geschrieben. Ein Auszug

von Sabine Brandes  25.03.2023

USA

Facebook-Gründer Zuckerberg zum dritten Mal Vater geworden 

Lange wurde über den Namen des Babys gerätselt. Jetzt wurde er bekannt. Das Paar Zuckerberg bleibt seinen besonderen Namensvorlieben treu

 24.03.2023

Berlin

Joachim Gauck und Herta Müller fordern Unterstützung für Exilmuseum

In der Hauptstadt entsteht ein Museum über die Vertreibung aus Deutschland während der NS-Zeit und heutige Fluchtbewegungen

von Bettina Gabbe  24.03.2023

Legenden

Reporter und Revolutionär

Vor 75 Jahren starb Egon Erwin Kisch: Seine Reportagebände haben bis heute nichts an ihrer Faszination verloren

von Michael Heitmann  24.03.2023