Kassel

Documenta-Kuratorin Naomi Beckwith: Werde keine Gewalt dulden

Naomi Beckwith, Künstlerische Leiterin der »documenta 16« Foto: picture alliance/dpa

Nach den Antisemitismus-Skandalen bei der »documenta fifteen« hat die künstlerische Leiterin der kommenden Ausgabe, Naomi Beckwith, bei einem öffentlichen Auftritt in Kassel erste Einblicke in ihre kuratorische Arbeit gegeben. Dabei unterstrich die 49-Jährige ihre Achtung für Menschenwürde und für gegenseitigen Respekt.

Sie sei offen für Debatten und Diskussionen, »aber ich werde keine physische, verbale oder symbolische Gewalt gegen andere dulden«, betonte sie bei einer öffentlichen Veranstaltung vor rund 700 Besuchern. Die nächste Documenta ist im Jahr 2027 geplant.

Beckwith ist stellvertretende Direktorin und Chefkuratorin des New Yorker Guggenheim Museums. Die documenta zu leiten, sei »eine der aufregendsten Herausforderungen, die ich mir vorstellen kann«, erklärte sie nach ihrem Auftritt. Ihre Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern sei geprägt von »tiefem gegenseitigem Respekt und einer Haltung des Teilens, und unsere unterschiedlichen Identitäten betrachten wir als eine Stärke und nicht als Grund für Spaltung«.

Interdisziplinäre Kunstszene

Sie gab zudem kleine Einblicke in ihr Leben und bot einen knappen Streifzug durch ihre kuratorische Arbeit. »Ich hatte keine Wahl in dieser Angelegenheit, aber ich fühle mich sehr glücklich, in Chicago geboren zu sein.« Dort sei ihre Familie Teil der großen schwarzen Community gewesen. Die Stadt sei geprägt gewesen von der multikulturellen Gesellschaft und der interdisziplinären Kunstszene. Beckwith will in diesem Sommer nach Kassel ziehen. »Ich freue mich schon sehr darauf, hier zu wohnen.«

»Naomi Beckwith beeindruckt: mit ihrer Vita, ihrer intellektuellen Schärfe, ihrer Klarheit in der Übernahme kuratorischer Verantwortung und ihrem Wissen um die Bedeutung der documenta – sowohl für Kassel als auch für die Welt«, erklärte Hessens Kulturminister Timon Gremmels (SPD), der nicht persönlich in Kassel dabei sein konnte.

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Die 49-Jährige folgt auf das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa, das die »documenta fifteen« im Jahr 2022 kuratiert hatte. Die Schau war von mehreren Antisemitismus-Skandalen überschattet worden. Auch die Reaktionen der Verantwortlichen waren scharf kritisiert worden. Bereits vor Beginn waren etliche Stimmen laut geworden, die massive Kritik am Engagement von Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern für die antisemitische Boykottbewegung BDS übten.

Exzeptionellen Fähigkeiten

Kurz nach der Eröffnung wurde eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und abgehängt. Später lösten weitere Werke scharfe Kritik und Forderungen nach einem Abbruch aus.

Nun wird nach vorne geblickt: »Die documenta 16 wird herausragend. Die über alle Maßen positive Ausstrahlung und die exzeptionellen Fähigkeiten von Naomi Beckwith werden die Ausstellung zu einem Glanzpunkt des zeitgenössischen Kunstgeschehens machen«, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende der documenta GmbH, Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne), nach der Veranstaltung. »Die künstlerische Leitung steht für die Verbindung klarer kuratorischer Formen mit komplexen Themen.«

Beckwith sprach auch von den verschiedenen aktuellen Krisen und Herausforderungen. Der globale Zustand lasse sich zum Abschluss des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts vielleicht als ein stetiger Zustand zerbrochener Erwartungen bezeichnen.

Experiment, Utopie und Reflexion

Der Geschäftsführer der Documenta, Andreas Hoffmann, betonte: »In der gegenwärtigen Situation multipler Krisen und Kriege, der immer schwieriger sich gestaltenden Kommunikation und der auf Konfrontation ausgerichteten Supermächte ist die Kunst ein wertvolles Feld des Experiments, der Utopie und der Reflexion.«

Die Documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Die 16. Ausgabe soll vom 12. Juni bis 19. September 2027 stattfinden.

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