Nahost

Digitale Allzweckwaffe

Kann sich selbst restlos von einem Computer entfernen oder auch die ganze Festplatte löschen: die mutmaßlich von den USA und Israel entwickelte Spähsoftware Foto: cinetext, (M) Marco Limberg

Mit »Flame« ist kürzlich ein neuer, extrem aufwendiger Computervirus entdeckt worden, der hauptsächlich Ziele im Iran angreift. Neue Informationen aus Washington weisen dabei auf eine enge israelisch-amerikanische Zusammenarbeit hin. Steht die nächste Schlacht im nahöstlichen Cyberwar bevor?

Klappern gehört auch bei IT-Sicherheitsunternehmen zum Handwerk. Doch die Einschätzung der Moskauer Antivirenexperten von der Firma Kaspersky Labs scheint zuzutreffen: »›Flame‹ ist eine der komplexesten Bedrohungen, die je entdeckt wurden.«

Komplex ist der Virus alleine durch seine schiere Größe: Mit bis zu 20 Megabyte ist »Flame« je nach Konfiguration etwa 20-mal größer als die effektivste Schadsoftware bisher: »Stuxnet«. Doch seine Funktionen sind gänzlich anderer Natur. Während Stuxnet hochspezialisiert nur in bestimmten Industrieanlagen des iranischen Atomprogramms zerstörerisch tätig wurde, handelt es sich bei Flame um einen universell einsetzbaren Spion.

Ferngesteuert Die Software registriert neben den Inhalten der Festplatten sämtliche Eingaben über die Tastatur, speichert Fotos vom Bildschirminhalt, zeichnet über das PC-Mikrofon Gespräche im Raum auf und spioniert sogar Mobiltelefone aus, die in Reichweite des Bluetooth-Funkmoduls der Rechner auftauchen.

Dabei schickt sie einerseits ihre Daten verschlüsselt an ihre unbekannten Schöpfer, lässt sich von denen aber andererseits auch fernsteuern: Flame kann sich selbst restlos von einem Computer entfernen oder auch die ganze Festplatte löschen. Außerdem können praktisch beliebige weitere Module mit anderen Funktionen nach Bedarf nachgeladen werden.

Flame ist viel zu komplex für private Urheber. Der reine Programmieraufwand und die damit verbundenen Kosten lassen auf einen staatlichen Akteur schließen, und der enorme Funktionsumfang wäre selbst für Industriespionage auf höchstem Niveau nicht notwendig. Auch das Verbreitungsgebiet ist eindeutig: Flame ist praktisch nur im Nahen Ossten aktiv, mit weitem Abstand am häufigsten im Iran, wo Kaspersky Labs 189 Infektionen bekannt sind. Diese Indizien sprechen für eine israelische Urheberschaft.

Vizepremier Und ein Dementi klingt anders: »Für jeden, der die iranische Bedrohung als bedeutend einschätzt, wäre es logisch, verschiedene Schritte, diesen eingeschlossen, zu unternehmen, um sie zu kontern. Israel ist mit Hightech reich gesegnet. Diese Werkzeuge, auf die wir stolz sind, eröffnen uns alle Arten von Möglichkeiten«, sagte der israelische Vizepremier Moshe Ya’alon dem Rundfunksender Galgalatz.

Aus den USA kommen noch eindeutigere Erklärungen. Die renommierte Tageszeitung New York Times berichtete in der vergangenen Woche über das ganze Ausmaß der amerikanisch-israelischen Zusammenarbeit beim Cyber-Krieg. Die begann noch unter Präsident George W. Bush unter dem Namen »Olympic Games« und wurde von Obama weitergeführt.

Für die enge Zusammenarbeit mit Israel haben die USA drei Gründe: Israel verfügt über exzellent qualifiziertes Personal. Jedes Jahr werden Hunderte Programmierer von der Armee ausgebildet, die eng mit Universitäten und der Rüstungs- und IT-Wirtschaft vernetzt ist, sowie die eigene, legendäre IT-Einheit 8200. Außerdem verfügt Israel über detailliertere Informationen über das iranische Atomprogramm. Und mit der Einbindung israelischer Experten wollten die USA sicherstellen, dass Israel keine Alleingänge mit konventionellen Waffen unternimmt.

Stuxnet Das erste öffentlich bekannt gewordene Produkt dieser Kooperation war der bereits erwähnte Stuxnet-Virus. Es war der erste Computervirus, der echten physischen Schaden außerhalb eines Computers anrichten konnte. Etwa Tausend Uranzentrifugen wurden mit seiner Hilfe zerstört. Seine Bedeutung für die virtuelle Kriegsführung beschrieb der Experte Ralph Langner so: Ein vergleichbarer Fortschritt für die konventionelle Kriegsführung wäre das Auftauchen eines F-35-Kampfjets auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs.

Flame hat zwar technisch keine Gemeinsamkeiten mit Stuxnet, nutzt aber teilweise dieselben zuvor unbekannten Sicherheitslücken aus. Der genaue Urheber wird bis auf Weiteres unbekannt bleiben. Der Iran will seinerseits bereits eine Cyberwar-Einheit im aktiven Einsatz haben. Dass die neben der Abwehr der westlichen Attacken auch eigene erfolgreich ausgeführt hätte, ist nicht bekannt – was aber naturgemäß nicht bedeutet, dass das nicht durchaus passiert sein könnte. Es spricht aber einiges dafür, dass im Cyberwar Israel dem Iran mit seinem »Silicon Wadi« für lange Zeit uneinholbar überlegen bleiben wird.

Aufgegabelt

Iced Tahini Latte

Rezepte und Leckeres

 02.07.2025

Essay

Wenn der Wutanfall kommt

Kleine Kinder können herausfordern. Was macht das mit Eltern? Reflexionen einer Mutter

von Nicole Dreyfus  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 3. Juli bis zum 10. Juli

 02.07.2025

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025