Forensik

Die Vermessung von Auschwitz

3D-Modell aus dem Prozess gegen den Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning Foto: dpa

Baracken, Bäume, Wachtürme, Wege – alles mit einer Genauigkeit von unter einem Zentimeter nachempfunden, erklärt Ralf Breker. Das exakteste Modell der Welt. Für die letzten Feinheiten sei er mit einem sogenannten terrestrischen Laserscanner extra im Lager vor Ort gewesen, um die Umgebung haargenau auszumessen.

Ralf Breker, 43, ist Forensiker und 3D-Spezialist am Bayerischen Landeskriminalamt in München. Im vergangenen Jahr widmete er sich einem zukunftsweisenden und nervenaufreibenden Projekt: einem lebensechten Virtual-Reality-Modell von Auschwitz. »Es soll den Ermittlern dabei helfen, die Wahrheit der Aussagen quasi aus erster Hand zu überprüfen. Man kann nachprüfen, ob jemand von seiner Position aus gewisse Dinge hat sehen können oder nicht. Man kann sich auf Wachtürme stellen und Wege nachempfinden, die jemand vorgibt, gegangen zu sein«, erklärt Breker die Intention hinter dem Projekt.

Virtuelle Realität Seit 2013 gibt es schon ein 3D-Modell des Konzentrationslagers, in diesem Jahr wurde der nächste Schritt Richtung Virtuelle Realität gewagt. Dafür müssen die Softwareprogramme die komplexen dreidimensionalen Welten in Echtzeit und mit mindestens 25 Bildern pro Sekunde berechnen können. »Es war natürlich auch vorher schon möglich, per 3D einen Einblick in die Umgebung zu gewinnen«, betont Breker. Aber das Eintauchen in die Umgebung, die sogenannte Immersion, erleichtere die authentische Vorstellung des Ortes. Richter und Ermittler könnten so eine Vielzahl von Perspektiven – wie in der Realität – einnehmen und die Aussagen der Zeugen oder Angeklagten verifizieren oder widerlegen.

Breker und sein Team arbeiteten mit einer Vielzahl von Fotografien, Vermessungsplänen, Topografien vom Gelände und Luftaufnahmen, um zusätzlich zur eigenen Vermessung ein detailgetreues, fehlerfreies Raster des Lagers zu erschaffen. Denn schließlich soll sein Modell über Wahrheit oder Falschheit einer Aussage entscheiden.

Dabei betont der Ingenieur, dass es sich hierbei wahrhaftig nicht um ein Pilotprojekt handelt; seit sieben Jahren rekonstruiert er nun schon Tatorte bei Kapitaldelikten. »Die Ermittler treten an uns heran, weil sie einen besseren Eindruck der Situation erhalten möchten oder eine Zeugenaussage verifizieren wollen.« Besonders bei Tatorten, die nicht mehr oder nicht in der selben Form existieren, sei die 3D-Nachbildung eine große Chance.

Anstoß für die Kreation eines Modells von Auschwitz waren vor allem die kürzlichen Fälle um die ehemaligen KZ-Wachmänner Johann Breyer und Reinhold Hanning. Breyer wurde 2014 wegen der Beihilfe zum Mord in 216.000 Fällen angeklagt; der 89-Jährige verstarb jedoch noch vor dem Prozess.

Prozess Im Prozess gegen Reinhold Hanning im vergangenen Jahr hat man das vorangegangene 3D-Modell aber bereits erfolgreich nutzen können. Der ehemalige SS-Unterscharführer wurde im Juni 2016 nach einem viermonatigen Prozess zu fünf Jahren Haft verurteilt. Hanning war als Leiter von Wachmannschaften in Auschwitz und Sachsenhausen eingesetzt worden und in dieser Position am Mord von mindestens 170.000 Menschen beteiligt gewesen.

Die Details des Massenmordes hätten ihm bei den Recherchen zu diesem Projekt emotional zugesetzt, gibt Breker zu. Obwohl er nun schon lange im kriminaltechnischen Geschäft zu Hause ist und es gewohnt ist, »mit den tagtäglichen Schattenseiten der Gesellschaft konfrontiert zu werden«, habe die letztjährige Arbeit ihn doch sehr gefordert. »Gerade durch die mehrmaligen Besuche vor Ort habe ich viele Details der Systematik des Lagers erfahren. Das ist nicht spurlos an mir vorübergegangen.«

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025