Im Zusammenhang mit dem »Tänzerinnenbrunnen« des Bildhauers Georg Kolbe erheben die Erben des 1942 im KZ Theresienstadt gestorbenen jüdischen Unternehmers Heinrich Stahl schwere Vorwürfe gegen ein Berliner Museum. Kolbe hatte die Skulptur mit der Tänzerin 1922 für Stahl angefertigt, der ab 1933 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin war und die Plastik während der NS-Zeit unter Zwang veräußern musste.
Käufer war der bulgarische Konsul in Berlin, Theodor Dimanow, der sie 1941 zu »günstigen« Konditionen von Stahl erworben hatte. 1978 erwarb das Georg Kolbe Museum für moderne Kunst in Berlin-Westend die Tänzerinnenskulptur von Dimanows Erben aus Mitteln der Klassen-Lotterie. Die Kosten: 120.000 D-Mark. Der Brunnen mit der Tänzerin ist seit Ende der 70er-Jahre im Museumsgarten ausgestellt. Bisher ist das Werk für Besucher jedoch nicht als Raubkunst gekennzeichnet.
Lothar Fremy, Anwalt von Erben Stahls, sagte dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), dem Museum seien die Umstände des Zwangsverkaufs seit einem Jahr bekannt. Er wirft Museumsdirektorin Kathleen Reinhardt vor, dass sie den Erben seitdem kein Restitutionsangebot gemacht habe. Susan Gunstream, Urenkelin von Heinrich Stahl, vermutete im rbb: »Sie haben die Nachforschungen vermieden, aus Angst, etwas zu finden.« Sie wisse nicht, ob es »Trägheit« sei – oder ob das Museum die Statue einfach behalten wolle.
Reinhardt, die 2026 den Deutschen Pavillon bei der Kunstbiennale von Venedig kuratiert, erklärte im rbb-Interview hingegen, man habe sich um einen Dialog mit den Erben bemüht. Auf der Website des Museums heißt es: »Der Sockel der Skulptur zeigt Schwarze Trägerfiguren, die eine weiße Tänzerin stützen – ein kolonial codiertes Motiv mit antisemitischer Objektgeschichte.« Seit den 80ern stehe das Museum »im Austausch mit den Nachfahren, die 2001 auf Ansprüche verzichteten, sich jedoch ein Gedenken wünschen«. Verzichtet hat offenbar aber nur ein Teil der Erbengemeinschaft. Wie es nun weitergehen soll, blieb bisher unklar.