»Dr. der Jurisprudenz gibt Ihnen während der Beförderung Instruktionen über die Regierungsmaßnahmen zur Währungsumstellung von der Deutschen Mark zur Rentenmark«. Erich Salomons wohlhabende Familie hatte in der Inflation 1923 ihr Vermögen verloren, jetzt war Einfallsreichtum gefragt - warum nicht Taxidienste anbieten?
Mit dieser Anzeige in der »Vossischen Zeitung« begann eigentlich die späte und sehr erfolgreiche Karriere des Juristen Erich Salomon, der als der Fotograf der Weimarer Republik Geschichte gemacht hat. Nicht nur das, er gilt als Mitbegründer des Bildjournalismus. Salomon, seine Frau Maggy und Sohn Dirk wurden vor 80 Jahren, am 7. Juli 1944, im KZ Auschwitz ermordet, weil sie Juden waren.
Die Annonce für sein Taxi-Unternehmen führte 1925 zu einer Mitarbeit in der Werbeabteilung des Berliner Ullstein-Verlags und dann zu einer freiberuflichen Tätigkeit als Bildjournalist. Diese Berufsbezeichnung soll seine eigene Wortschöpfung gewesen sein. Sein großer Durchbruch kam 1928, als seine mit versteckter Kamera gemachten Bilder eines Mordprozesses in der »Berliner Illustrirten« erschienen.
Schluss mit gestellten Bildern
»Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken« - in diesem Buch veröffentlichte Salomon 1931 seine Bilder. In einem Feature aus dem gleichen Jahr für die Zeitschrift »Gebrauchsgraphik« schreibt der Autor Hans Sahl den durchschlagenden Moment in der Fotokarriere Salomons der Erfindung der lichtstarken Objektive zu. Salomon habe erkannt, dass sich ihm eine Chance geboten habe. Statt auf Kommando gestellte Fotos zu machen, könne man nun den Moment einfangen, der so viel aussagekräftiger sei.
Der französische Politiker Aristide Briand soll gesagt haben: »Was ist schon eine internationale Konferenz, wenn Salomon nicht dabei ist...« Was Salomon zugute kam, war seine Herkunft aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie und ein entsprechendes gesellschaftsfestes Auftreten.
Salomon erzählte dem Autor Sahl mit offensichtlichem Vergnügen, er müsse ständig neue Tricks erfinden, um seine Kamera unauffällig in Stellung zu bringen. Er habe sich schon als Malermeister verkleidet oder seine Kamera in einen Pappkarton eingebaut. Salomon benutzte eine Ermanox, später ab 1932 eine Leica.
Den Bildjournalismus begründet
Während der Weimarer Republik betätigte er sich als Parlamentsfotograf. In den Niederlanden, wo er seit 1933 im Exil lebte, war er der erste Fotograf, der Zugang zu den Debatten im Parlament erhielt. Außerdem war er der erste Pressefotograf, der im Weißen Haus fotografieren durfte, aber auch im Haus des Völkerbunds in Genf, im Berliner Reichstag und bei internationalen Politikertreffen. Salomon wird dafür gelobt, eine positive Bildsprache des Parlamentarismus geschaffen zu haben.
»Mit Lebendigkeit, anekdotischer Spitzfindigkeit und psychologischer Einsicht hat Salomon die Pressefotografie zu der Form entwickelt, die heute als Bildjournalismus unentbehrlich und selbstverständlich geworden ist«, würdigt ihn die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh). Seine Auffassung und seine Wertmaßstäbe bilden noch heute die Norm, an der sich ein nunmehr etablierter kritischer Berufsstand orientiere, so die DGPh.
Nachdem Deutschland 1940 die Niederlande besetzt hatte, war die Familie Salomon auch dort nicht mehr sicher. Vorsichtshalber versteckte der Fotograf die Negative an verschiedenen Orten, unter anderem in Einmachgläsern, die unter dem Hühnerstall bei einem Freund vergraben wurden. Die Familie versteckte sich, wurde aber verraten.
Sein Sohn rettete den fotografischen Nachlass
Salomons Sohn Otto überlebte als Einziger der Kernfamilie, weil er 1935 in England bei der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) als Lehrling beginnen konnte. Das beinhaltete eine lebensrettende offizielle Aufenthaltserlaubnis. 1946 reiste er in die Niederlande, um die Bilder seines Vaters an sich zu nehmen und dafür zu sorgen, dass dieser nicht vergessen wurde.
Die Berlinische Galerie verwahrt seit 1981 den Nachlass des Fotografen. Insgesamt sind im Erich-Salomon-Archiv über 10.000 Fotografien, Negative und Archivalien vorhanden.
Seit 1971 verleiht die DGPh den Dr. Erich Salomon-Preis zur Auszeichnung einer »vorbildlichen Anwendung der Fotografie in der Publizistik«. Er diene zugleich dem Andenken an den »großen Fotografen der Weimarer Republik«, dem der moderne Bildjournalismus starke Anregungen verdanke. Der Preis besteht aus einer Urkunde sowie einer Leica-Kamera und wird jährlich verliehen. Bewerben kann man sich übrigens nicht selbst.