Welttag des Brotes

Die Challa macht’s!

Was hat es mit dem Weißbrot, das wir am Schabbat und an den Feiertagen essen, auf sich?

von Noemi Berger  16.10.2020 06:27 Uhr

Lecker und bedeutend: die Challa Foto: Getty Images / istock

Was hat es mit dem Weißbrot, das wir am Schabbat und an den Feiertagen essen, auf sich?

von Noemi Berger  16.10.2020 06:27 Uhr

Circa 3200 Sorten Brot sind im Brotregister erfasst, aber eigentlich lieben wir doch nur ein Brot, oder? Die Challa! Noemi Berger über das Brot, das jeden Freitag gegessen wird.

Wenn wir von Challa (Jiddisch: Challe) sprechen, denken wir an das geflochtene Weißbrot, das wir am Schabbat und an den Feiertagen essen. Der Ursprung des Begriffs »Challa« gründet darauf, dass die Kinder Israels, als sie das Heilige Land betraten, zur sogenannten Hafraschat Challa verpflichtet waren (4. Buch Mose 15, 17–21). Diese Mizwa verlangt, einen Teil des Teigs vor dem Backen abzusondern.

Das Abgetrennte wird Challa genannt, und man gab es einst den Kohanim (Priestern), die im Jerusalemer Tempel ihren Dienst taten. Da sie kein eigenes Land besitzen durften, waren sie auf diese »Hebegabe« (Teruma) des Volkes angewiesen, um in Würde zu leben und ihre heiligen Aufgaben zu erfüllen.

MIZWA Im Laufe der Zeit wurde das Abtrennen der Challa eschatologisch aufgeladen: Es setzte sich die Meinung durch, dass diese Mizwa nur dann als Gebot der Tora (Mideorajta) gilt, wenn die Mehrheit der Juden im Heiligen Land lebt. Solange die meisten noch in der Diaspora leben, gilt das Gebot als rabbinische Anordnung (Miderabbanan).

Hafraschat Challa ist eine der drei Mizwot, die eindeutig die jüdische Frau erfüllen muss. Die anderen beiden sind das Anzünden der Schabbatkerzen und Taharat Hamischpacha, die Reinhaltung der Familie.

Wie viel Teig abgetrennt werden muss, gibt die Tora nicht genau an, aber unsere Weisen haben entschieden, dass das Stück Teig »Kesajit« (wörtlich: die Größe einer Olive) sein soll und um die 26 Gramm zu wiegen hat. Da Brot ein Grundnahrungsmittel ist, lässt sich die Mizwa jederzeit anwenden. Sie bringt Segen in unser tägliches Leben und wird sowohl in Israel als auch in der Diaspora durchgeführt. Wir demonstrieren damit unsere Verbindung zum Heiligen Land.

Die Challa durfte nur von den Kohanim verspeist werden. Heute, da es keinen Tempel gibt, können wir weder den Kohanim eine Challa-Hebegabe geben, noch dürfen wir sie selbst essen. Also stellen wir sicher, dass das abgesonderte Stück Teig vertilgt und ungenießbar gemacht wird. Wir wickeln es in Alufolie und verbrennen es respektvoll im Ofen oder auf andere Weise, da es ein Element der Heiligkeit enthält.

BRACHA Die Challa soll aus Weizen, Gerste, Hafer, Dinkel oder Roggen gebacken werden. Wenn der Teig mindestens 1,25 Kilo wiegt (etwa zehn Tassen Mehl), kann man zwar Challa abtrennen, aber man muss keine Bracha sprechen. Wiegt der Teig mindestens 2,2 Kilo (bei Sefarden sind es 1,7 Kilo), trennt man die Challa ab und sagt den Segensspruch: »Gesegnet seist Du, Herr, unser G’tt, König des Universums, der uns mit Seinen Geboten geheiligt und uns befohlen hat, Challa vom Teig abzusondern.«

Die in Deutschland gebackenen Challot werden meist zu Zöpfen geflochten und häufig mit Mohn bestreut. Daher kommt auch das hierzulande bekannte Gebäck »Mohnzopf«. Manche meinen, der Mohn sei ein Symbol für Fruchtbarkeit.

BARCHES Der unter aschkenasischen Juden gebräuchliche Name »Barches« oder »Berches« für Challot geht auf ein ursprünglich deutsches Festtagsgebäck zurück. Über die Ursprünge des Namens sind verschiedene Deutungen im Umlauf.

Auf den Schabbattisch werden zwei Challot gelegt. Sie sollen daran erinnern, dass während der Wüstenwanderung der Israeliten nach dem Auszug aus Ägypten freitags jeweils eine doppelte Ration »Manna« vom Himmel fiel, also bereits auch die für den Schabbattag.

Der Autor der Mischna Berura, Rabbi Jisrael Meir Kagan (1839–1933), sagte, das Backen der Challa sei eine Ehrung des Schabbats, und die Mizwa erfülle das Haus während der ganzen Woche mit Segen. Er sprach auch davon, wie wichtig es sei, dass Frauen die Challa selbst backen und sie nicht beim Bäcker kaufen.

Porträt

Geschichte zurückgeben

Floriane Azoulay ist Direktorin der Arolsen Archives – sie hilft Schoa-Überlebenden und deren Nachkommen, Familienschicksale zu erforschen

von Anja Bochtler  21.03.2023

Jubiläum

»Wir haben uns der Diversität verschrieben«

Sonja Lahnstein-Kandel über 50 Jahre Universität Haifa, den Deutschen Fördererkreis und Chancengleichheit

von Lilly Wolter  21.03.2023

Musik

Das letzte Einhorn?

Popstar Noa Kirel tritt mit »Unicorn« für Israel beim Eurovision Song Contest an

von Sophie Albers Ben Chamo  21.03.2023

USA

»National Medal of Arts« für Julia Louis-Dreyfus

Präsident Joe Biden will die Schauspielerin und Comedienne auszeichnen

 21.03.2023

Debatte

Metropoltheater setzt umstrittenes Stück »Vögel« endgültig ab

Nach einer aufgeheizten Debatte mit Antisemitismusvorwürfen sollte das Drama eigentlich am 26. März in München wieder aufgenommen werden

 19.03.2023

Film

»Ich erreiche Frauen überall«

Die schweizerisch-israelische Schauspielerin Naomi Krauss verkörpert die Hauptrolle in »Faraway« – die Netflix-Komödie landete weltweit auf Platz zwei

von Ayala Goldmann  19.03.2023

Schauspiel

Münchnerin mit vielen Identitäten

Ein Podcast über Therese Giehse lässt auch Aktivistinnen der queer-jüdischen Szene zu Wort kommen

von Katrin Diehl  19.03.2023

Journalismus

Zerfall eines Helden

Eine neue Biografie zeigt die Widersprüche des »rasenden Reporters« Egon Erwin Kisch auf

von Gernot Wolfram  19.03.2023

Lesen!

»Der Transitmann«

Dmitrij Belkin hat ein aufschlussreiches Buch über den bedeutenden Germanisten, Schriftsteller und Humanisten Lew Kopelew geschrieben

von Katrin Richter  19.03.2023