Museum für islamische Kunst

Die Bilder der Anderen

Braune Würmer nagen sich entlang der blutroten Kerne eines geöffneten Granatapfels, laben sich an der halb verfaulten Frucht. Das Bild hat der Grafikdesigner Mehdi Saeedi als Motiv für den iranischen »Sozialpathologie-Kongress« 2008 kreiert. Ein angefressener Granatapfel, der im Iran auch für die Gesellschaft und das Leben steht – hintergründiger und zugleich expliziter könnte die Kritik am Mullah-Regime nicht verpackt sein.

Dieses Werk und 59 weitere Plakate von 27 iranischen Künstlern aus den vergangenen 40 Jahren werden derzeit in der Ausstellung »Zeichen aus dem Iran« im Museum für islamische Kunst in Jerusalem gezeigt. Es sind teils Kunstprojekte, teils Veranstaltungsplakate, die im Iran entstanden sind und mal mehr und mal weniger Kritik an der »Islamischen Republik« üben.

Stereotype Das Museum will damit für Israelis ein Fenster zur iranischen Gesellschaft öffnen, Stereotype über einen verfeindeten Staat aufbrechen und zeigen, wie die Menschen dort wirklich leben. »Es sitzen ja nicht alle den ganzen Tag da und denken darüber nach, wie man Atomwaffen bastelt«, sagt Museumsdirektor Nadim Sheiban. »Nicht alle sind radikal.«

Eröffnet wird die Ausstellung mit dem Foto eines französischen Fotografen, das in einem Untergrundcafé in Teheran aufgenommen wurde: Frauen und Männer sitzen hier, in düsterer Atmosphäre, zusammen und rauchen. Ein seltenes Bild aus einem verborgenen Land, von dem in Israel sonst eher nur zu hören ist, wenn es um das Atomprogramm oder antisemitische Aussagen der politischen und religiösen Anführer geht.

Fotos wie diese passen gut ins grundsätzliche Konzept des 1974 eröffneten Hauses, das versucht, Israelis die islamische Welt durch ihre Kunst zu vermitteln – mitten in einem jüdisch geprägten Stadtteil Westjerusalems, unweit von der Residenz des Präsidenten entfernt.

Kalligrafie Die Idee für die Ausstellung hatte der israelische Künstler und Grafiker Yossi Lemel, der sich schon seit Jahren mit den Plakaten aus dem Iran beschäftigt. Zusammen mit der tschechischen Kunsthistorikerin Marta Sylvestrová ist er Kurator der Schau und hat die Werke ausgewählt, die aus der Mährischen Galerie im tschechischen Brünn stammen.

Darunter sind unter anderem die Plakate von vier Künstlerinnen und die der beiden »Gründerväter« der modernen iranischen Posterkunst: Morteza Momayez und Ghobad Shiva, die eine ganze Generation iranischer Künstler geprägt haben. Viele der Grafiker arbeiten mit klassisch arabischer Kalligrafie: Das persisches Alphabet besteht aus 32 Buchstaben und ist eine Abwandlung des arabischen Alphabets.

Erstaunlich ist, wie offen kritisch einige der Werke sind, zum Beispiel Mehdi Saeedis Plakat gegen Kinderarbeit. Es zeigt die Silhouette eines Jungen, der auf seinem Rücken eine riesige Kugel aus Buchstaben trägt. »Kinderarbeit: Schmerz, Sklaverei, Ausnutzung, Hunger, Leid« steht auf Englisch darunter. Beliebt machen sich Künstler mit solchen Arbeiten in ihrem Land nicht. Saeedi lebt inzwischen in den Vereinigten Staaten.

Gefahr »Das Leben in einem totalitären Regime ist nicht einfach – auch wenn der Iran in den vergangenen Jahren immer mehr versucht, seine Beziehungen zum Westen zu verbessern«, sagt Museumsdirektor Nadim Sheiban. »Die meisten Künstler sind so oder so klug genug, es nicht zu weit zu treiben.«

Ansehen können sich die iranischen Künstler die Ausstellung in Jerusalem nicht: Ein Besuch des jüdischen Staates ist für sie unmöglich – schon allein der Versuch würde sie und ihre Familien in Gefahr bringen.

»Zeichen aus dem Iran«. Museum für islamische Kunst Jerusalem, bis zum 19. November, www.islamicart.co.il

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert