Magdeburg

Deutsches Zentrum Kulturgutverluste feiert zehnjähriges Bestehen

Gilbert Lupfer Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Bereitschaft und die Anstrengungen deutscher Museen und Bibliotheken, in ihren Beständen nach NS-Raubgut zu suchen, haben sich aus Sicht des Vorstands des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste deutlich verstärkt. »Es hat sich einiges getan. Man muss dazu sagen, natürlich ist das noch nicht genug«, sagte Gilbert Lupfer der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg.

Kleine Heimatmuseen seien bei der Provenienzforschung genauso dabei wie große Häuser und Universitätssammlungen. »Ich denke, die Suche nach NS-Raubgut wird inzwischen in den meisten Museen ernst genommen.«

Provenienzforschung in Deutschland basiere wesentlich auf der Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, das Bundesmittel als Projektförderung weitergebe. Das Zentrum feiert am Dienstag in Magdeburg sein zehnjähriges Bestehen.

60 Millionen Euro Projektförderung

Bund, alle Länder sowie kommunale Spitzenverbände hatten das Zentrum zum 1. Januar 2015 als Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Magdeburg gegründet. Seit 1998 hatte es dort schon die Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern gegeben.

Seit seiner Gründung bewilligte das Zentrum eigenen Angaben zufolge Projekte für fast 60 Millionen Euro. Mehr als 43 Millionen Euro davon flossen in die Provenienzforschung zu NS-Raubgut. Mithilfe der Förderung können Einrichtungen im Rahmen eines Projekts bestimmte Bestände untersuchen, die Raubgut enthalten könnten. Dabei wird überprüft, ob es sich um Kulturgut handelt, das seinen ursprünglichen Besitzern unrechtmäßig entzogen wurde.

Betroffene Objekte werden in vielen Fällen zurückgegeben. Bis Ende November waren dem Zentrum 9.715 museale Objekte sowie 34.204 Bibliotheksgüter und Archivalien bekannt, die seit Kriegsende an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben wurden.

Lesen Sie auch

Wissensverlust nach Projektende

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste bietet vor allem für kleinere Einrichtungen auch sogenannte Erstchecks an. Mit denen soll fest­ge­stellt wer­den, ob ein Ver­dacht auf Raub­gut in ei­nem Sammlungs­be­stand vor­liegt. Das Zentrum betreibt zudem die Datenbank »Lost Art«, mit der frühere Eigentümer oder ihre Erben mit den heutigen Besitzern des NS-Raubguts zusammengeführt werden sollen. Die Online-Datenbank Proveana macht die Ergebnisse der geförderten Projekte transparent.

Das große Problem ist dann, dass nach Ende des Projekts in der Regel die Provenienzforscherin ausscheidet, woanders hingeht und dadurch Wissen verloren geht«, sagte Lupfer. Das sei auch nicht eins zu eins in einem Abschlussbericht zu fassen.

Schwerpunkt des Zentrums ist die Förderung der Erforschung von Objekten, die ihren meist jüdischen Besitzern im Nationalsozialismus entzogen worden sein könnten. 2017 begann zudem die Grundlagenforschung mit Blick auf die Zeit der DDR und der Sowjetisch besetzten Zone (SBZ). Auf diesem Gebiet gibt es bisher 26 Kooperationen, um Strukturen und Quellen zu erforschen. Einzelfallforschungen gibt es bislang nicht.

Wenig Entwicklung bei Privatsammlern

Außerdem wurde das Spektrum 2019 um den kritischen Blick auf Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ergänzt. Dem Zentrum zufolge gab es in diesem Bereich 84 Projekte mit Mitteln in Höhe von rund 11,8 Millionen Euro. Dabei werden Objekte und menschliche Überreste aus verschiedenen Sammlungen untersucht - neben ethnologischen können das auch naturkundliche, anatomische oder archäologische Sammlungen sein.

Insbesondere bei den später hinzugekommenen Themenkomplexen sieht Vorstand Lupfer noch Nachholbedarf. »Die systematische Suche nach Objekten und menschlichen Überresten, die in der Kolonialzeit geraubt wurden, hat erst vor wenigen Jahren begonnen«, sagte er.

Im Bereich NS-Raubgut seien öffentliche Institutionen zwar sensibilisiert, private Sammler jedoch seien noch sehr zurückhaltend damit, ihre Bestände zu untersuchen und Projektförderung in Anspruch zu nehmen. »Das ist ganz wenig, was wir da bisher fördern. Das ist eigentlich der einzige Bereich, wo ich sagen würde, da hat sich in den letzten Jahren nichts entwickelt.«

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025