Glosse

Der Rest der Welt

Foto: Getty Images

Warum schaltet dieser riesige bulkige Typ neben mir nicht endlich sein Handy aus? Wir sind doch schon auf dem Weg in Richtung Startbahn. Was machen eigentlich die, die da vorn so grimmig geguckt haben beim Einstieg? Und was, wenn das Bild, das an die gelbe Lufthansa-Tafel, die am Flugzeug außen angeklebt war, gemalt war, zutrifft und das Flugzeug wie ein Stein vom Himmel fällt?

Durch meinen sonst ganz wohlsortierten Kopf rasen drei bis 900 Szenarien, was alles auf dem Rückweg dieser Dienstreise von der Ratsversammlung in München passieren kann. Während ich also damit beschäftigt bin, Kopfkino zu haben, und gleichzeitig diesem Muskelprotz neben mir mit meinem linken Ellenbogen klarzumachen versuche, dass auch ich meinen Arm auf der Lehne ablegen darf, ruckelt die kleine zugestopfte Maschine über die Startbahn.

Kurz zuvor haben die Passagiere ihre Schrankkoffer in die Gepäckablagen gequetscht, nur ich war so dümmlich, meinen Kabinenkoffer aufzugeben. Aber Sie wissen ja auch nicht, wie das ist, wenn ich fliege.

Ich verrate es Ihnen: ganz schlimm. Jedes quengelnde und sich übergebende Kind ist angenehmer. Mir wird zwar nicht schlecht, ich drehe auch äußerlich nicht an irgendeinem Rad, aber ich bin so entspannt wie Wackelpudding. Ich bewundere die Kollegen, die seelenruhig lesen, die irgendein Spiel machen, die einfach so plaudern. Es ist ja nun auch nicht so, dass ich noch nie geflogen wäre. Mein CO2-Fußabdruck ist nicht gerade klein. Ja, sorry, ist so … nach Australien fährt nun einmal kein Bus – schon gar nicht von Berlin aus.

Für Langstreckenflüge gibt es immer eine leicht einschläfernde, frei verkäufliche Reisetablette.

Aber für Langstreckenflüge gibt es immer eine leicht einschläfernde, frei verkäufliche Reisetablette. Auf einer Dienstreise mit Kollegen und mit einer übersichtlichen Flugzeit würde ich bestimmt erst bei der Landung einschlafen. Und das käme ja auch irgendwie doof an. Inmitten all dieses gedanklichen Durcheinanders musste ich an die Vorspeise denken, die ich am Abend zuvor genießen durfte. Lachs-Tatar mit Avocado und Juzu-Soße. Ein Traum! Würde das Flugzeug seinen Weg nicht machen, ich hätte wenigstens diese Vorspeise gehabt, denke ich in meiner momentanen Verfassung.

Ich habe schon manches Mal Lachs-Tatar gegessen, aber noch nie ein so gutes! Wenn das Team der Küche wüsste, dass mir in diesem Moment, in dem ich gedanklich die fruchtige Juzu, den feinen, weich-festen Lachs, die geschmeidige Avocado schmecke, alle anderen ziemlich egal sind: der Kasten neben mir, die grimmig dreinblickenden Typen ganz vorn, das Bild, die schwachen Turbulenzen. Nun, vielleicht lesen sie ja meinen Text.

Falls Sie jetzt denken, dass ich etwas übertreibe: Meinen Tischnachbarn zur Linken und zur Rechten schmeckte das Tatar so gut, dass sie sogar einen Nachschlag nahmen. Und was bedeutet das nun für das Fliegen und mich? Darüber mache ich mir Gedanken, wenn ich bei der nächsten Reise in der Bahn sitze, die mit Sicherheit irgendwie verspätet ist.

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Zahl der Woche

4275 Personen

Fun Facts und Wissenswertes

 09.07.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Studieren in Wien, Mampfen im neunten Bezirk

von Margalit Edelstein  09.07.2025

Psychologie

Modell für die Traumaforschung

Die Hebräische Universität veranstaltet eine Konferenz zu seelischer Gesundheit in Kriegszeiten

von Sabine Brandes  09.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 10. Juli bis zum 18. Juli

 09.07.2025

Musikbranche

»Schmähungen allein verbrauchen sich schnell«

Marek Lieberberg gehört zu den größten Konzertveranstaltern Europas. Der 79-Jährige über den Judenhass auf internationalen Musikfestivals, die 1968er und Roger Waters

von Sophie Albers Ben Chamo  09.07.2025

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Berlin

Die Tänzerin ist Raubkunst

Heinrich Stahl musste die Statue während der NS-Zeit unter Zwang verkaufen. 1978 geriet sie an das Georg Kolbe Museum. Jetzt erheben Erben Vorwürfe gegen die Direktorin

von Ayala Goldmann  08.07.2025

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 08.07.2025