Glosse

Der Rest der Welt

Vergangene Woche im Supermarkt. Ich suchte das Regal nach Watte ab. Da wurde ich unweigerlich Zeugin eines Gesprächs zwischen einer Frau und ihrem Mann. Beide mussten zwischen 30 und 40 Jahre alt sein, so mein Eindruck. Sie standen nur wenige Meter von mir entfernt, also nah genug, dass ich mitbekam, worüber sie diskutierten.

»Nein, das brauchst du nicht«, sagte er zu ihr. »Aber ich möchte das kaufen«, gab sie in bestimmtem Ton zurück. Er wollte den Einkaufswagen schon weiterschieben, da nahm sie das Haartönungsmittel in die Hand und studierte, was auf der Packung stand. Er befahl ihr von Neuem: »Leg das wieder zurück. Das ist wirklich nicht nötig.« Sie ließ nicht von der Packung ab und versuchte, ihm zu erklären, warum ihr so viel daran lag. Doch es interessierte ihn nicht. Er beharrte auf seinem Standpunkt. Sein Ton wurde zwar nicht gehässig, war aber auch nicht versöhnlich. Er sagte nur: »Komm jetzt!«

Er hatte gewonnen

Sie stellte die Packung zurück ins Regal und trottete ihm hinterher. Er hatte gewonnen. Ich musste mich einen Moment sammeln, um zu verstehen, was hier gerade passiert war. Wie kommt es, dass ein Mann seiner Frau vorschreibt, was sie zu kaufen hat und was nicht? Haben wir das nicht längst hinter uns gelassen? Sind wir nicht schon einige Dekaden weiter, um ausschließen zu können, dass so etwas ganz »normal« ist?

Als ich endlich meine Wattepackung gefunden hatte, wollte ich meinen Einkauf entspannt fortsetzen. Trotzdem gingen mir die zwei Minuten Konversation der beiden, die ich nicht im Geringsten kannte und über deren Beziehung ich auch nichts wusste, nicht mehr aus dem Kopf. Am liebsten hätte ich die Haartönung für die Frau gekauft und sie ihr mitgegeben. Aber das stand mir nicht zu. Ebenso wenig, wie mich in ihre Unterhaltung einzumischen.

Oder hätte ich es vielleicht doch tun sollen? Hat es bereits mit fehlender Zivilcourage zu tun, es nicht getan zu haben? Sich nicht für jemanden einzusetzen, der in einer solchen Situation unterdrückt scheint? Vielleicht war ich aber einfach nur dem Klischee erlegen, dass es sich um einen Mann handelte, der seine Partnerin maßregelte.

Die beiden kommunizierten nicht auf Augenhöhe

Fest steht: Die beiden kommunizierten nicht auf Augenhöhe. Das störte mich an der Sache. Gewiss, es gibt womöglich unzählige nachvollziehbare Gründe, warum der Mann sich durchsetzen wollte. Vielleicht ging es um finanzielle oder sogar gesundheitliche Fragen. Das ist alles möglich und geht mich rein gar nichts an. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass etwas anderes dahintersteckte.

Die Frau tat mir auf irgendeine Weise leid. Ich hätte sie unterstützen sollen. Was hätte es mich gekostet, dem Mann einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, um ihm zu signalisieren, dass es nicht in Ordnung ist, was er gerade tut? Jemandem die Freude an etwas zu nehmen, das dem anderen besonders wichtig ist. Fängt hier nicht der Frieden im Kleinen an? Ich werde diese Frau nie mehr wiedersehen, aber ich wünsche mir, dass sie lernt, Nein zu sagen. Und dass sie sich genau darüber freuen kann.

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025