Glosse

Der Rest der Welt

Chamesch heißt fünf, und dann geht’s in den Pool. Foto: Getty Images/iStockphoto

Nach 20 Jahren bin ich zum ersten Mal wieder in Israel. Wir haben zwei Wochen »All Inclusive« in einem Hotelkomplex in Ein Bokek gebucht. Das ist am Toten Meer. Ich stehe am Morgen auf, gehe frühstücken. Dann zum Pool bis zum Mittagessen. Mittagsschläfchen.

Wieder runter zum Pool. Um vier Uhr gibt es Kaffee und Kuchen. Um 18 Uhr Abendbrot. In der großen Hotelanlage warten viele Ablenkungen. Ein Kino, eine Synagoge, Hot Tubs. Ich war noch nie dort. Ich liege nur neben dem Pool und döse so vor mich hin. Von den äußeren Bedingungen könnte der Ort das Paradies sein, an das wir Juden glauben. Nicht mehr arbeiten, am Pool dösen, um 12 Uhr Mittagessen. Und dann ist auch alles noch koscher.

Netflix Das einzige Problem ist, dass man hier Iwrit spricht. Davon verstehe ich nur die Hälfte. Ich habe so ziemlich alles versucht, dieser Sprache mächtig zu werden. Privatkurse, israelische Filme auf Netflix, Selbststudium. Aber die Israelis reden einfach zu schnell und nicht deutlich genug.

Ich fühle mich häufig als halber Jude, und ich weiß, vielen anderen geht es genauso. Dabei mag ich die Sprache ungemein. Viel schöner als Französisch, das ich auch nicht beherrsche. Unten beim Pool gibt es eine junge Frau, die den Hotelgästen Handtücher aushändigt. Irgendetwas muss man dabei machen, denn sie wedelt immer mit der Hotelkarte. »Chamesch?«, fragt sie jedes Mal. Das heißt fünf, so viel habe ich in den letzten 30 Jahren gelernt. Ich nicke und wiederhole: »Chamesch!« Bedeutet das fünf Handtücher?

So viele brauche ich nicht. Oder bedeutet es fünf Schekel? Ich dachte, alles sei gratis. Oder fünf Flecken, fünf Minuten, Zimmer fünf? Die Handtuch-Frau lässt mich nicht los. Sie spricht außer Iwrit keine andere Sprache. Ich bin da nicht besser.

Chamesch Nur auf Deutsch kann ich mich richtig verständigen. Ich sage nochmals: »Chamesch!« Sie redet weiter, in einer Sprache, in der ich nur jedes zehnte Wort verstehe: »Fünf, richtig, Hotel, Wasser … fünf.«
Es hört sich wie ein Funkspruch im Zweiten Weltkrieg an, den ich in Bade­shorts dechiffrieren muss. Ich denke an den Hund zu Hause, der so richtig blöd dreinschauen kann. Aber bei dieser hartnäckigen Frau klappt auch das nicht.

Ich sage nochmals: »Chamesch, chamesch, chamesch!« Die Frau lässt mich irgendwann doch noch an den Pool. An Petrus glaube ich natürlich nicht.

Aber ich habe Angst, dass vor der jüdischen Himmelspforte doch irgendjemand stehen wird und Einlasskontrolle auf Iwrit macht. Hoffentlich nicht die Handtuch-Frau: »Chamesch?« Beni Frenkel

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Berlin

Die Tänzerin ist Raubkunst

Heinrich Stahl musste die Statue während der NS-Zeit unter Zwang verkaufen. 1978 geriet sie an das Georg Kolbe Museum. Jetzt erheben Erben Vorwürfe gegen die Direktorin

von Ayala Goldmann  08.07.2025

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 08.07.2025

Mittelfranken

Archäologen entdecken erste Synagoge Rothenburgs wieder

Erst zerstört, dann vergessen, jetzt zurück im Stadtbild: Die erste Synagoge von Rothenburg ob der Tauber ist durch einen Zufall wiederentdeckt worden. Ihre Überreste liegen aber an anderer Stelle als vermutet

von Hannah Krewer  08.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  08.07.2025

Vor 100 Jahren

»Mein Kampf«: Programmschrift eines rasenden Rassisten und Antisemiten

Mit einer Startauflage von 10.000 Exemplaren kam am 18. Juli 1925 der erste Band von Adolf Hitlers Hetzschrift »Mein Kampf« auf den Markt. Das, was der Autor dort entfaltete, setzte er später in die Tat um

von Christoph Schmidt, Joachim Heinz  08.07.2025

Berlin

»Alle in Deutschland sollten die Namen der deutschen Geiseln kennen«

Bei einem Solidaritätskonzert für die Geiseln berichteten Angehörige über das Schicksal der sieben von der Hamas entführten Deutschen

von Ayala Goldmann  08.07.2025

Wissenschaft

Wenn Soziologen diskriminieren

Die deutsche Gesellschaft für Soziologie kritisiert den Ausschluss ihrer israelischen Kollegen aus der internationalen soziologischen Vereinigung

 08.07.2025

Kino

Weltweit ein Kultfilm - doch hierzulande fast unbekannt

Eines der erfolgreichsten Film-Musicals überhaupt lockt viele Touristen nach Salzburg – doch im deutschsprachigen Raum ist der jetzt 60 Jahre alte Kultfilm »The Sound of Music« kaum bekannt

von Gregor Tholl  07.07.2025