Glosse

Der Rest der Welt

Schlaflos in Zürich oder Warum ich nur kaputte Luxusuhren kaufe

von Beni Frenkel  22.11.2022 15:25 Uhr

Viele meiner Altersgenossen besitzen teure Uhren. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Schlaflos in Zürich oder Warum ich nur kaputte Luxusuhren kaufe

von Beni Frenkel  22.11.2022 15:25 Uhr

Ich bin einer der wenigen Schweizer, die keine Uhr besitzen. Trotzdem komme ich nie zu spät. Manchmal werde ich zu einem Job-Interview eingeladen. Dann bin ich schon eine Stunde früher dort und kaue Pfefferminz-Bonbons. Der öffentliche Nahverkehr funktioniert in Zürich tadellos. Wenn ich einen Bus verpasse, warte ich auf den nächsten, der in ein paar Minuten kommt.

Nur am Freitagnachmittag werde ich leicht nervös, wenn ich die genaue Uhrzeit nicht weiß. Dann gucke ich aus dem Fenster. Die Sonne lacht und ich mit ihr. Schabbat kann noch warten.

geburtstag Viele meiner Altersgenossen besitzen teure Uhren. Tissot, Omega, Rolex. Ich hatte einmal eine Uhr, auf der waren drei verschiedene Musikstücke gespeichert. Es war eine japanische Uhr. Mit der Musik konnte man besser joggen. Ich habe sie zu meinem 15. Geburtstag bekommen. Meine Eltern wollten, dass ich mehr Sport treibe. Ich ließ die Uhr in der Französischstunde ihre drei Stücke vorspielen. Dem verdutzten Lehrer sagte ich dann, dass ich aus Versehen auf einen Knopf gedrückt habe. Excusez-moi.

Je älter ich werde, desto mehr hänge ich an Statussymbolen. An Sukkot bringe ich eine silberne Etrog-Box in die Synagoge und an den Hohen Feiertagen einen speziellen Tallit.

Meine Frau versteht so etwas nicht, darum spreche ich auch nicht mit ihr.

Aber eine Luxusuhr habe ich noch nicht gekauft. Hätte ich Geld, würde ich eine Patek Philippe kaufen. Die Eigentümer der Firma sind jüdisch. Die Uhren sind so teuer, dass Patek Philippe in den Werbeanzeigen schreibt: »Beginnen Sie eine eigene Tradition.« Mit anderen Worten: Verschulden Sie sich für Ihre Kinder.

tradition Ich habe drei Kinder. Eine gute Patek Philippe beginnt bei 10.000 Franken. Wenn ich eine Tradition starten will, müsste ich drei solche Uhren kaufen. Ich kenne meine Kinder. Die schenken sich nichts. Der Erbstreit ist programmiert.

Mit solchen Sorgen gehe ich ins Bett. Ich bin ein sehr traditioneller Mensch. Die Vorstellung, dass meine Enkelkinder einmal meine Uhr weiter tragen werden, ist ein Gedanke, der mich zu Tränen rührt. Meine Frau versteht so etwas nicht, darum spreche ich auch nicht mit ihr. Im Internet stöbere ich seit Wochen nach defekten Patek-Philippe-Uhren. Die sind günstiger als die funktionierenden.

Eine erste habe ich schon gekauft. Wie alle wertvollen Gegenstände hat sie einen längeren Namen: »Patek Philippe Mariage 44mm DEFEKT«. Der Anker ist gebrochen, und bei einem der Zahnräder soll bei der Wolfsverzahnung ein Zahn kaputt sein. Ach so, Minuten- und Stundenzeiger gibt es auch nicht mehr.

Sie hat 1000 Euro gekostet und ist der Beginn meiner Tradition. Und ich weiß schon jetzt, dass es keinen Erbstreit geben wird.

Kassel

Documenta-Kuratorin Naomi Beckwith: Werde keine Gewalt dulden

Die »documenta fifteen« war von Antisemitismus-Skandalen überschattet worden. Nun soll in etwas mehr als zwei Jahren die nächste Ausgabe stattfinden. Was sagt die neue Kuratorin?

 19.03.2025

Los Angeles

Gal Gadot hat »Walk of Fame«-Stern

Die israelische Schauspielerin bringt ihren Mann und die gemeinsamen vier Töchter zu einer besonderen Ehrung nach Hollywood

von Barbara Munker  19.03.2025

Hamburg

Hunderte nehmen Abschied von Peggy Parnass

Bei der Trauerfeier hebt Bürgermeister Peter Tschentscher ihr Engagement gegen Rechtsextremismus hervor

 19.03.2025

Oberschleißheim/München

NS-Raubgut? »Wissenschafts-Krimi« um altes Militärflugzeug

Deutsche und niederländische Forscher untersuchen ein verdächtiges Militärflugzeug aus der Flugwerft Schleißheim. Ist es Nazi-Raubgut? Oder ein Geschenk für einen Kriegsverbrecher?

von Britta Schultejans  18.03.2025

Leserbriefe

»Es gibt uns, nichtjüdische Deutsche, die trauern und mitfühlen«

Nach der Sonderausgabe zum Schicksal der Familie Bibas haben uns zahlreiche Zuschriften von Lesern erreicht. Eine Auswahl

 17.03.2025

Berlin

Weil Gal Gadot Israelin ist: Der Nahostkonflikt erreicht Schneewittchen

»Schneewittchen« ist noch nicht einmal gestartet, da überschatten bereits Kontroversen die Neuverfilmung des Disney-Klassikers. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Hauptdarstellerinnen

von Sabrina Szameitat  17.03.2025

Berlin

Deutscher Filmpreis: Zehn Nominierungen für »September 5«

Der Thriller über das Massaker von München im Jahr 1972 geht als Favorit ins Rennen um den Deutschen Filmpreis. Konkurrenz bekommt er unter anderem von einem Film, der für die Oscars nominiert war

 17.03.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. März bis zum 26. März

 17.03.2025

Rezension

Alles, nur nicht konventionell

Elisabeth Wagner rückt vier Frauen aus der Familie des Verlegers Rudolf Mosse ins Licht der Aufmerksamkeit

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.03.2025