Glosse

Der Rest der Welt

Die liberale jüdische Gemeinde Oberhausen hat ihre eigene Kotel errichtet. Foto: Simon Voigt

Israel ist die einzige Demokratie des Nahen Ostens. Ob dort deshalb ständig gewählt wird, um den Nachbarn jedes Jahr von Neuem zu demonstrieren, wie Wahlen funktionieren? Ich habe mich da inzwischen ausgeklinkt. Vor mehr als 20 Jahren bin ich aus Israel weggezogen. Allerdings habe ich immer noch eine Meldeadresse bei meinen Verwandten. Als israelische Bürgerin hätte ich auch diesmal zur Wahl nach Israel fliegen können – wie zuletzt im Januar 2013.

Doch schon vor neuneinhalb Jahren hat meine Stimme nicht den Ausschlag gegeben. Außerdem hatte ich den Jahresurlaub längst verplant, bevor die Israelis ihre neueste Wahl ansetzten. Und überhaupt, ich war dieses Jahr schon in Israel.

timing Kurz nach der Barmizwa meines Sohnes wollte ich ihm die Kotel zeigen. Leider war das Timing für unsere Reise suboptimal – an Pessach respektive Ostern zeigen sich die Angehörigen der drei Weltreligionen in Jerusalem nicht immer von ihrer besten Seite. Diesmal warfen friedliebende Muslime auf dem Tempelberg mit Steinen, reizende Juden um Itamar Ben-Gvir zogen mit Flaggen durch die Altstadt, und christlich-orthodoxe Pilger feierten nicht nur das Heilige Feuer, sondern lieferten sich auch heiße Clashes mit der israelischen Polizei. Also haben wir um Jerusalem einen großen Bogen gemacht.

Doch jetzt gibt es eine konflikfreie Alternative zum Besuch der Klagemauer in der heiligen Stadt: Die liberale jüdische Gemeinde Oberhausen hat ihre eigene Kotel errichtet. Über die Konstruktion aus Styropor schrieb die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung«, die Höhe von etwa sechs Metern imponiere ebenso wie die »im Maßstab 2:1 einem Original-Ausschnitt der Klagemauer nachempfundenen Einzelteile«. Als Vorlage habe den beiden handwerklich begabten Gemeindemitgliedern Juri Storozev und Oleg Usherenko eine Fotografie aus Jerusalem gedient. Man habe jeden Stein einzeln nachgemacht, betonte Gemeindechef Lev Schwarzmann.

Ich finde, die israelische Botschaft in Berlin könnte sich ein Beispiel an der liberalen jüdischen Gemeinde Oberhausen nehmen.

Alle Menschen in Oberhausen, ob jüdisch oder nicht, sollten die Chance bekommen, im Hinterhof der Gemeinderäume am Friedensplatz 15 ein bisschen von diesem »Symbol der Hoffnung und des Glaubens« zu erleben, wurde Schwarzmann weiter zitiert. Recht hat der Mann! Übrigens kann man auch in Oberhausen Zettel an Gott schreiben und sie in eine Box vor der Styropor-Kotel legen. Zweimal im Jahr sollen die Briefe nach Israel geschickt und in die echte Klagemauer gesteckt werden.

stimmzettel Ich finde, die israelische Botschaft in Berlin könnte sich ein Beispiel an der liberalen jüdischen Gemeinde Oberhausen nehmen. Warum kann man im westlichen Ruhrgebiet neben der Kotel aus Styropor nicht auch Wahlurnen für Israelis in Deutschland aufstellen und die Stimmzettel dann zusammen mit den Zetteln für die Kotel nach Jerusalem schicken?

Gerade habe ich recherchiert: Mit der Bahn sind es nur vier Stunden und 25 Minuten von Berlin Hauptbahnhof nach Oberhausen. Das ist billiger als ein Flug – und klimafreundlicher sowieso. Jetzt fehlt nur noch eine Knesset aus Styropor. Oder vielleicht doch eher die Briefwahl für Israelis im Ausland?

Andrea Kiewel

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