Glosse

Der Rest der Welt

Ich muss nicht den Macker spielen. Foto: Getty Images/iStockphoto

In Zürich besteht momentan akuter Lehrermangel. Die Bildungsdirektorin sagte kürzlich, dass sich alle melden sollten, um die Vakanzen zu füllen. Auch Metzger. So habe ich das zumindest verstanden. Noch am selben Tag schickte ich meine Bewerbungsunterlagen an die Bildungsdirektion.

Mir kam der Film Independence Day in den Sinn, in dem der US-Präsident alle Leute auffordert, mit ihren Flugzeugen die Außerirdischen zu bekämpfen. Der Präsident wendet sich auch an die Piloten von landwirtschaftlichen Flugzeugen mit Düngemittelsprühvorrichtungen.

knabenschule Das letzte Mal habe ich vor acht Jahren unterrichtet, und zwar an einer streng orthodoxen Knabenschule. Die Pädagogische Hochschule hatte ich nicht beendet. Französisch, das Pflichtfach an der Schweizer Primarschule ist, beherrsche ich kaum.

Zwei Tage später rief mich die Rektorin einer Schule mit knapp 500 Schülerinnen und Schülern an: »Herr Frenkel, können Sie morgen unterrichten?« Ich sagte zu, denn ich bin ja arbeitslos. Weil alles so schnell ging, passierten ein paar Fehler. An der Wandtafel stand ein falscher Name: Herr Fränklin.

Als Lehrer an der Knabenschule kannte ich eigentlich nur eine Devise, nein, eigentlich drei: schreien, strafen und nochmals schreien.

Mein Einsatz war auf eine Woche beschränkt. Die Klassenlehrerin litt nicht unter Corona, wie ich anfangs dachte, sondern ist beim Eiskunstlauf ganz dumm hingefallen. Ich stellte mich der Klasse als Herr Fränklin vor. Dann kam die Rektorin hereingeplatzt und entschuldigte sich: »Herr Frenkel, könnten Sie noch den Spucktest mit der Klasse machen?« Sie händigte mir einen Beutel mit Spuckdose, Salzlösung und Gummihandschuhen aus. Dann rannte sie wieder raus, zum nächsten Aushilfslehrer.

spucke Ich guckte die Sachen blöd an. »Herr Fränklin, sollen wir Ihnen helfen?«, fragte ein aufmerksames Mädchen. Gerne! Die Jungen und Mädchen der Klasse 6b gurgelten Salzwasser und spuckten tüchtig in die Dose. Ich verschloss den Inhalt mit einem Deckel und ließ dann alles fallen. Die ganze Spucke von 23 Kindern. Am Boden, glitschig und wahrscheinlich toxisch. Das war der Einstieg des Herrn Frenkel beziehungsweise Fränklin in der Klasse 6b. Und es war perfekt.

Als Lehrer an der Knabenschule kannte ich eigentlich nur eine Devise, nein, eigentlich drei: schreien, strafen und nochmals schreien. Wie weit wäre ich hier wohl gekommen? Vielleicht bis zur nächsten Pause. Das Missgeschick mit meinem Namen und der Spuckdose lehrte mich etwas Bescheidenheit.

Ich muss nicht den Macker spielen. Die Jungen und Mädchen halfen mir dann die ganze Woche durch, vor allem bei den technischen Geräten. Aber auch mit den Pausen. Da die Schule keine Glocke hat, wurde ich immer erinnert, den Unterricht abzubrechen. So hilfsbereit! So freundlich! Erst später merkte ich, dass sie schummelten. War trotzdem schön, diese Woche!

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025