Finale

Der Rest der Welt

Ich liebe meine Uniform. Ich sehe aus wie ein Polizist. Foto: Getty Images/iStockphoto

Finale

Der Rest der Welt

Stolz auf den neuen Job oder Warum ich zu kleine Schuhe tragen muss

von Beni Frenkel  10.11.2021 10:01 Uhr

Ich habe einen neuen Job. Ich arbeite bei einer Wachschutzfirma. Mehr darf ich Ihnen dazu nicht sagen. Ich musste viele Dokumente unterschreiben, dass ich nichts über die Firma und den Standort erzählen darf. Auch meine Frau und die Kinder dürfen nichts erfahren. Ich nehme das sehr ernst. Was Sie erfahren dürfen: Es handelt sich um eine Baustelle, und ich arbeite neun Stunden pro Tag. Ich laufe um die Baustelle und überwache die Arbeiter.

Was ich genau überwachen muss, weiß ich nicht. Es reicht, dass ich Präsenz zeige. Die Arbeit gefällt mir sehr. Ich bin an der frischen Luft und muss an nichts denken, außer eben darauf achten, dass die Arbeiter nichts Falsches machen. Das einzige Problem, mit dem ich mich seit einem Monat herumschlage, sind die Schuhe, die ich von der Firma bekommen habe. Eigentlich trage ich Größe 42. Die gab es aber nicht. Ich erhielt Sicherheitsschuhe in Größe 41.

baustelle Die ersten Tage waren sehr schlimm. Ich humpelte um die Baustelle und hatte wahrscheinlich ein schmerzverzerrtes Gesicht. Die Bauarbeiter guckten mich irritiert an. So einen Sicherheitsmann hatten sie wohl noch nie gesehen. Am Abend musste mir meine Frau beim Ausziehen der Socken helfen. Als meine Kinder auf die Welt kamen, habe ich nicht geweint. Als meine Tochter eine berührende Rede zu ihrer Batmizwa hielt, habe ich auch nicht geweint. Aber beim Ausziehen der Socken, da habe ich geflennt wie ein kleiner Junge.

Am Abend musste mir meine Frau beim Ausziehen der Socken helfen.

Am vierten Tag lernte ich, dass der menschliche Körper formbar ist. Die Hälfte meines kleinen Zehs war weg. Jetzt schmerzt es nur noch halb.

Eigentlich ist meine Arbeit nicht viel anders als die eines Maschgiachs. Die bärtigen Männer kontrollieren die Küche von jüdischen Restaurants oder stehen beim Melken neben der Kuh. Ich denke, dass ein Maschgiach keinen Kuchen hinbekommt und nicht weiß, wie man melkt. Sie stehen einfach da, so wie ich.

uniform Mein Chef sagte mir zu Beginn, dass ich meine Uniform mit Stolz tragen soll. Das war überflüssig. Ich liebe meine Uniform. Ich sehe aus wie ein Polizist. Nur die Schuhe ärgern mich. Die Bauarbeiter haben sich langsam an mich gewöhnt. Sie wissen, dass ich nur aus Versicherungsgründen um die Baustelle humple. Einer hat mir einmal auf die Schultern geklopft und etwas auf Russisch gesagt. Ich lächelte tapfer.

Manchmal frage ich mich, wie es wohl den anderen Maschgichim auf der Welt geht. Sind die auch stolz auf ihre Arbeit? Dürfen sie über ihre Arbeit erzählen? Und: Tragen sie auch eine Schuhgröße zu klein?

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025