Finale

Der Rest der Welt

Le Chaim! Foto: Getty Images

Finale

Der Rest der Welt

Eine Dienstreise, ein Minjan und mehrere Mini-Wodkas

von Shira Silberstein  08.02.2021 10:05 Uhr

Gestern war ich auf einer Express-Dienstreise wegen eines Interviews. Alles musste superschnell gehen, wegen der Corona-Reise-Beschränkungen. Taxi, Zug über die belgische Grenze, noch ein Taxi, Interview, Taxi zurück, wieder in den Zug – es war eine Riesen-Hetzerei.

Happy Few Um überhaupt zu den Happy Few in diesem internationalen ICE gehören zu können, war ein tagelanger Papierkrieg mit den belgischen Behörden notwendig. Es galt, eine eidesstattliche Erklärung auszufüllen, außerdem musste ein Schreiben von meinem Boss zum Thema der Dienstreise vorgelegt werden, des Weiteren führte ich einen Beleg über einen negativen Corona-Test mit mir sowie Formulare für zwei weitere Covid-Tests nach Rückkehr.

Völlig entkräftet sank ich in die Polster meines ICE-Fensterplatzes. Der Zug war wie ausgestorben, nur ein paar Gestalten mit FFP2-Masken müffelten schlecht gelaunt vor sich hin. Niemand redete. Worüber auch? Wurstbrote wurden zum Verzehr unter die Maske geschoben, Kaffee per Strohhalm unter der Maske eingesaugt. Sobald jemand aufstand, wurde er mit argwöhnischen Blicken bedacht. Saß die Maske auch, wie sie sollte? Ich konnte es kaum erwarten auszusteigen und nahm ein Taxi zum Ort des Interviews, eine Synagoge, in der ich den Gabbe interviewen sollte.

Shtibel Zwischen dem Wochentags-Mincha und Maariw gab es eine Pause, zu der wir uns im kleinen Schtibl hinter der Hauptsynagoge treffen wollten. Die Synagoge hallte dunkel und menschenleer. Aus dem hinteren Bereich kamen Lichtstrahlen, ich tastete mich vor. Irgendwo in diese Richtung musste das Schtibl sein. Und tatsächlich hörte ich Geräusche, Stimmen, Gelächter. Irgendwo da hinten waren Leute, Licht und Wärme. Schon lange war ich nicht mehr so froh gewesen, menschliche Stimmen zu hören. Ich öffnete die Tür zum Schtibl, und da war der ganze Minjan versammelt. Alle Blicke richteten sich auf mich. »Scholem Aleichem«, rief der Gabbe, und ich wurde unter lauten Rufen willkommen geheißen.

Auf den Tischen standen noch Obstkörbchen von Tu Bischwat, die Minjan-Mitglieder prosteten mir mit Mini-Wodka­flaschen zu (Sondergröße wegen Corona). Lachend nahmen sie mich in ihre Mitte auf (mit zwei Metern Abstand), ich packte mein Mikrofon aus und erinnerte die Runde noch einmal an das Thema meines Interviews: der jiddische Witz! Alle riefen wild durcheinander, bis schließlich ein Herr sein Handy auspackte, um seinen Cousin Mischka in Tel Aviv anzurufen, denn der kannte die besten jiddischen Witze. Schon bald hatte ich Tränen in den Augen vor lauter Lachen und japste zwischen den einzelnen Pointen nach Luft.

Kopf Nach einer Viertelstunde klingelte eine Glocke zum Maariw. Ich packte meinen Kram zusammen. Draußen wartete schon das Taxi. Im Zug hörte ich mit Kopfhörern das Interview nochmal an und kicherte in mich hinein. Genervte Blicke der Maskierten streiften mich, aber das war mir egal. Für eine kurze Zeit war ich der Corona-Dunstglocke entkommen. Ich fühlte mich fantastisch. Einfach mal den Kopf auslüften bei Mincha, Maariw, einer Gratisrunde Wodka und guter Laune. Kann ich Ihnen nur empfehlen!

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