Glosse

Der Rest der Welt

Süßes zum Ramadan ist ja toll, aber so eine Käseplatte wäre auch eine Idee. Foto: Getty images

Bei uns im Haus wohnen viele Muslime. Bei ihnen ist gerade Ramadan. Manchmal treffe ich sie im Lift. Leider gehöre ich zu der Sorte Mensch, die immer etwas Essbares in der Hand hält: ein Sandwich, ein Mars oder einen Teller Suppe. Da meine muslimischen Nachbarn den ganzen Tag fasten, versuche ich, das Essen vor ihnen zu verstecken.

Hochachtung Ich könnte niemals einen ganzen Tag fasten. Zwar gibt es auch im Judentum drei, vier Fasttage. Ich schaffe das aber nie. Immerhin: Ich faste fast den ganzen Tag. Meine Hochachtung vor den muslimischen Nachbarn ist deshalb immens.

Ich traue mich aber nicht, anzumerken, dass ich auch Käse mag, sondern esse das Gebäck, obwohl ich unter Diabetes leide.

Zwei muslimische Mädchen kommen häufig herunter zu uns und essen sich satt. Nach dem Essen fragen sie mich: »War da Schweinefleisch drin?« Ich beruhige sie dann immer: »Nein, höchstens ein Hühnchen.« Am Abend klingelt es dann wieder. Die Mutter der Mädchen überreicht uns einen Teller mit Ramadan-Essen. Köstliches Gebäck mit Sesam, Honig und Zucker. Als höflicher Nachbar esse ich den Teller leer und stelle ihn am Morgen wieder vor ihre Wohnungstür.

Käse Am nächsten Tag gibt es erneut Süßes. Ich traue mich aber nicht, anzumerken, dass ich auch Käse mag, sondern esse das Gebäck, obwohl ich unter Diabetes leide. Aber: Für den interreligiösen Dialog mache ich alles. Warum ich das erzähle? Nun, ich finde, ich habe einen Dialogpreis verdient. Im vergangenen Jahr erhielt ihn ein junger Rabbiner aus Zürich. Er hat den Dialogpreis bekommen, weil er manchmal mit einem Imam zusammensitzt und mit ihm Freundschaft geschlossen hat.

Das Wichtigste am Dialogpreis: Er ist mit 10.000 Franken dotiert. In einer Zeitschrift sah man, wie der Rabbi den großen Scheck in Händen hielt und herzhaft lachte. So stelle ich mir übrigens Moses vor, als er mit den Gesetzestafeln vom Berg Sinai herunterstieg. Ich lache selten.

Scheck Aber wenn man mir 10.000 Franken gäbe, würde ich weinen und lachen. Und das gleichzeitig. Ich bin auf den Rabbiner natürlich nicht neidisch. Er erhielt zwar einen großen Scheck, ich aber werde dafür jeden Tag mit Gebäck überrascht, das lange Honigfäden zieht.

Wenn man mir 10.000 Franken gäbe, würde ich weinen und lachen.

Aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich den Dialogpreis gleich für die nächsten drei Jahre verdient. Wir laden nämlich auch Christen zu uns ein. Leider kocht meine Frau nicht so orientalisch wie die hübsche Nachbarin. Und die meisten Fragen zum Judentum kann ich gar nicht beantworten. Ich sage dann einfach irgendetwas. Trotzdem, ich will den Dialogpreis. Mein bester Freund ist übrigens Christ!

Ausstellung

Die Schocken-Show

Das Jüdische Museum Berlin ehrt den Unternehmer und Verleger Salman Schocken dank eines Stars der US-Literatur

von Sophie Albers Ben Chamo  19.06.2025

Kulturkolumne

Zwischen Kotel und Kotti

Wie KI unseren Autor berühmt machte

von Eugen El  19.06.2025

FU Berlin

Sparmaßnahmen an Berliner Hochschulen treffen wohl auch Judaistik

An der Freien Universität ist unklar, ob eine Professur neu besetzt wird.

 19.06.2025

Fürth

Jüdisches Museum sucht geraubte kleine Dame

Man werde für eine Suchaktion an alle bekannten Kunstgalerien Flyer schicken und eine Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung aufgeben

 18.06.2025

Sachbuch

Zweistaatenlösung, erster Versuch

Oren Kessler zeigt, wie sich bereits 1936 ein Grundmuster des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern herausbildete

von Ralf Balke  18.06.2025

Zahl der Woche

8. Platz

Fun Facts und Wissenswertes

 18.06.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Juni bis zum 26. Juni

 18.06.2025

Berlin

Erste Ausstellung über den Architekten Ossip Klarwein

Präsentiert werden mehr als 100 Entwürfe und Modelle, darunter ikonische Bauten des 1933 nach Palästina geflohenen jüdischen Architekten

 17.06.2025

Nachruf

Chronist einer ganzen Epoche

Michel Bergmann war ein Schriftsteller, der viele Genres beherrschte

von Ellen Presser  17.06.2025