Finale

Der Rest der Welt

Ich weiß nicht, was mich so unwiderstehlich macht. Sie umschwirren mich wie die Bienchen den Honigtopf, die kleinen Freundinnen meiner fünfjährigen Emma, und betteln tagtäglich darum, mit zu uns nach Hause zu dürfen. Es muss mein einnehmendes Wesen sein, das unsere Wohnung zu einem wahren Kleinkindmagneten macht. Oder vielmehr die Tatsache, dass die kleinen Rangen meine Wohnung als eine Art All-You-Can-Eat-Buffet betrachten. Denn bei uns sind die Küchenschränke immer gefüllt mit Karamellen, Bonbons und Schokolade. Und wenn Kinderaugen flehend um Süßigkeiten bitten, kann ich einfach nicht widerstehen, gutherzig, wie ich nun mal bin. Außerdem geben die nervigen Gören dann endlich Ruhe.

Als meine Freundin Carla neulich nach einem ausgedehnten Shoppingtrip ihr zuckerverklebtes Kind wieder an meiner Haustür einsammelt, eröffnet sie mir, dass sie am Wochenende beruflich nach Paris muss, und dass die kleine Shirel unsere Wohnung für Samstagnacht als Bleibe auserkoren hat. Ich öffne den Mund, um alle möglichen Einwände vorzubringen – aber Carla ist schneller, sie knallt rasch meine Wohnungstür zu, schwingt sich in ihren Porsche und lässt mich voller böser Vorahnungen zurück. Und ich sollte recht behalten.

Hello Kitty Nicht umsonst gilt mein Wohnort Antwerpen als Plotkes-City, und am Abend habe ich bereits zehn Nachrichten auf meinem AB, lauter Mamas, die ihre Kids zu Emmas »Pyjama-Party« anmelden wollen, da sie am Wochenende dringendst nach Paris müssen. Rein beruflich, natürlich. Bevor ich auch nur »Pieps« sagen kann, werde ich überrollt von einer rosafarbenen Lawine aus Hello-Kitty-Schlafsäcken, Barbie-Kuschelkissen, nach Erdbeer riechenden Love-Bärchis und Mini-Beautycases in rosa Krokoleder. Während die dazugehörigen Mamas allesamt in Paris weilen und ihre Kreditkarten sprengen.

Ich schäume vor Wut und sinne auf Rache, während sich zehn schokoverschmierte Kinder auf meinem schokoverklebten Sofa Barbie und die drei rosa Musketiere reinziehen. Ich bereite in der Küche gerade die fünfte Portion Popcorn zu und wünschte mir, ich hätte Personal, als mich die Eingebung trifft wie ein Steinschlag. Personal! Consuela! Margoscha! Agnieszka! Die Küchenfeen meiner versnobten Freundinnen – was machen die eigentlich an diesem Wochenende? Ich setze kurzerhand meinen Mann zum Babysitten zwischen die Gören auf das Sofa und werfe mich in mein Auto, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Und tatsächlich: Carlas Haushaltsfee Consuela steht bis zu den Knien in Bügelwäsche, Dalias Margoscha bereitet in einem 15-Liter-Kessel Dalias berühmten Tscholent zu, und bei Revital verziert Agnieszka gerade eine ganze Garnison von Petits Fours für den nächsten WIZO– Damentee. Ich beschließe kurzerhand, dem ganzen Personal für dieses Wochenende freizugeben. Alle können gern zu mir kommen, um in meiner Küche Telenovelas zu gucken, Rugelach zu futtern und die neuesten Nagellacke auszuprobieren. Das Ganze entwickelt sich zu einer famosen Party, die in eine Koch- und Back-Orgie ausartet. Als die Party zu Ende ist, sind mein Kühl- und Gefrierschrank für die ganze nächste Woche gut gefüllt mit leckeren Menüs für die Familie. Und ich? Ich mache einen Kurztrip nach Paris.

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024