Finale

Der Rest der Welt

Neulich war der Bojaner Rebbe in Zürich. Eigentlich ist die Schweiz auf der jüdischen Weltkarte nicht mehr als ein Fliegendreck. Zu wenige Juden leben hier, knapp 18.000, um eine große Rolle zu spielen. Nur im Sommer kommt es manchmal vor, dass bekannte chassidische Rebbes in die Schweizer Alpen reisen, um ein wenig auszuspannen.

Der Bojaner zählt im Rebben-Quartettspiel nicht zu den Trümpfen. Er hat lediglich 1.000 Anhänger. Und die leben mehrheitlich in Israel. Für uns Schweizer war es trotzdem ein erhabener Moment, den Chef einer chassidischen Gruppierung in unserem Land begrüßen zu dürfen. Der Rebbe betete in einer kleinen Synagoge und verteilte an den jüdischen Schulen Apfelsinen an die Kinder. Erwachsene, die den heiligen Mann sehen wollten, mussten tief in die Taschen greifen: 1.200 Euro kostete es, bei einer kleinen Willkommensfeier anwesend zu sein.

Und wenn man wollte, dass der Rebbe einen daheim besuchte, waren 10.000 Euro für seine darbende Gemeinschaft fällig. Dafür wird so ein Besuch mit einem Foto festgehalten, welches dann in den chassidischen Zeitungen abgedruckt wird. Das fördert das Ansehen des Gastgebers. Insgesamt flossen in den zwei Besuchstagen, so versicherte mir eine zuverlässige Quelle, knapp 200.000 Euro in die Bojaner-Schatulle.

krümel
Ich war nicht beim Bojaner. Mein einziger Kontakt mit einem chassidischen Rebben liegt schon fast 30 Jahre zurück. Damals verbrachten wir eine Woche in einem koscheren Hotel in der Südschweiz. Der Zufall wollte es, dass genau in dieser Zeit besagter Rebbe dort zu Gast war. Ich kann mich nur noch schemenhaft an ihn erinnern.

Am letzten Abend rief er mich und meine Geschwister zu sich. Er segnete uns und verteilte am Ende Würfelzucker. Ein Stück für jeden von uns. Ich war damals sechs Jahre alt und guckte ungläubig auf den Mann. Die Erwachsenen ermahnten mich, verdammt gut auf das Stück Zucker achtzugeben. Es sei ein heiliger Würfelzucker. Vorsichtig steckte ich die Süßigkeit in meine Hosentasche und fühlte mich wahrscheinlich wie ein magischer Held.

Während meine Geschwister ihren Würfelzucker noch am gleichen Abend aufaßen, behielt ich meinen bis zur Rückreise. Damals hatten die Autos noch nicht so gute Stoßdämpfer wie heutzutage. Bei der Ankunft hatte ich nur noch Zuckerkrümel in der Hose. Was habe ich gebrüllt!

Diesmal haben die Kinder Apfelsinen bekommen. Die halten noch weniger lang als Zuckerstücke.

Aufgegabelt

Gemüsesuppe mit Kichererbsen

Rezepte und Leckeres

 12.10.2024

Geschichte

Derrick, der Kommissar von der Waffen-SS

Horst Tappert wurde in der Bundesrepublik als TV-Inspektor Derrick gefeiert - bis ein erhebliches Problem in seinem Lebenslauf bekannt wird

von Thomas Gehringer  11.10.2024

Analyse

Die neuen alten Grenzen der Solidarität

Erstaunt über den aktuellen Judenhass? Lesen Sie doch mal Jean Amérys 60 Jahre alte Texte

von Leeor Engländer  11.10.2024

Sachbuch

Deutschland und Israel nach dem 7. Oktober

Was ist mit den gemäßigten und liberalen Israelis seit dem 7. Oktober? Fania Oz-Salzberger geht dem in ihrem neuen Buch nach. Und streift dabei durch die Geschichte Israels bis hin zum Hamas-Überfall vor einem Jahr

von Leticia Witte  11.10.2024

Medien

Künftig weniger Folgen von »Hart aber fair«

Bei der Talkshow kehrt weiterhin keine Ruhe ein. Die ARD will die Sendung seltener ausstrahlen. Gastgeber Louis Klamroth soll stattdessen neue Formate für die Mediathek entwickeln

von Christof Bock  10.10.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  10.10.2024

Berlin

Neues Schiedsgericht soll Verfahren für Rückgabe von Nazi-Raubgut verbessern

Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände haben sich auf eine neue Instanz im Verfahren zur Rückgabe von NS-Raubgut geeinigt. Zentral ist dabei die »einseitige Anrufbarkeit«. Was steckt dahinter?

von Ann-Marie Utz  10.10.2024

Porträt

Nobelpreis für Literatur: Dieser jüdische Schriftsteller gilt als großer Favorit

Eine Prognose von Maria Ossowski

von Maria Ossowski  10.10.2024 Aktualisiert

Kolumne

Sicherheit, was für ein absurdes Konzept!

Warum ich in diesen »schrecklichen Tagen« zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur an Anemonen denke

von Laura Cazés  09.10.2024