Finale

Der Rest der Welt

Stress mit den Feiertagen – und das ausgerechnet in Deutschland?

von Naomi Bader  25.09.2017 19:46 Uhr

In diesem Jahr fällt Jom Kippur auf den 30. September. Foto: Thinkstock

Stress mit den Feiertagen – und das ausgerechnet in Deutschland?

von Naomi Bader  25.09.2017 19:46 Uhr

Schon wieder ein Walter und schon wieder Jom Kippur, dachte ich, als ich von dem am Abend des Versöhnungsfestes geplanten Festakt zu Walther Rathenaus 150. Geburtstag in dieser Zeitung las.

Denn bereits vergangenes Jahr sollte es in Köln an diesem Tag um einen anderen Walter gehen: Walter Herrmann, Initiator der »Klagemauer« vor dem Dom, der mit Tauben auf gelben Pappschildern für Frieden warb – und Karikaturen zeigte, die an den »Stürmer« erinnerten. Er weilt nicht mehr unter uns, und irgendwie vermisse ich unsere liebevollen Streitgespräche (Er: »Hecht-Galinski sagt auch ...« – Ich: »Sie sind ein Antisemit!«) seither.

jom kippur Einige fordern seitdem, Herrmanns umstrittenes Vermächtnis möge im Stadtmuseum ein neues Zuhause finden. Großzügig, dass man darüber zumindest diskutieren will, dachte ich mir. Und ja, sogar Juden sollten als Teilnehmer eingeladen werden. Dumm nur, dass sich ausnahmsweise einmal kein streitbarer Jude fand – denn es war schließlich Jom Kippur.

Ich hielt diese »Unachtsamkeit« zunächst für Antisemitismus, später zumindest für Ignoranz. Zugegeben, die große Zahl jüdischer Feiertage ist nicht nur für Nichtjuden eine Herausforderung. Ich kann durchaus verstehen, dass man den Überblick verliert. Erst kürzlich unterhielt ich mich mit einer Freundin, und etwas verwirrt überlegten wir, wann was in Honig zu tunken ist, was ein Fischkopf damit zu tun hat und ob das nicht eine riskante kulinarische Mischung fürs Fastenbrechen wäre.

Kein Wunder also, dass immer wieder Überraschung herrscht angesichts jedes weiteren Festes, das es zu beachten gilt. Dabei ist eine gewisse Feiertags-Sehnsucht hierzulande durchaus spürbar: Schoko-Weihnachtsmänner stürmen die Supermärkte, sobald das erste Herbstlaub fällt.

kalender Möglicherweise wird diese Sehnsucht verstärkt durch die Tatsache, dass wir Deutsche zu den globalen Verlierern im internationalen Vergleich zählen. Nur neun gesetzliche Feiertage gibt es in unserem Kalender, während Inder und Kolumbianer rund doppelt so oft feiern dürfen. Härter trifft es nur noch die Briten, Holländer und Ungarn mit lediglich acht Tagen und die Mexikaner mit gerade einmal sieben.

Eine Idee hätte ich, wie Deutschland in diesem Punkt deutlich aufholen könnte. Wir sollten einfach sämtliche Feiertage, die in Israel begangen werden, übernehmen. Dann lägen wir bei unangefochtenen 22 Tagen! Und um den Vorsprung noch weiter auszubauen, könnten wir die muslimischen gleich mit dazu nehmen.

Bis dahin empfehle ich allen, die Einladungen verschicken oder Diskussionsteilnehmer suchen, vorher einen Blick in den Kalender zu werfen – Google Calendar beispielsweise enthält sämtliche jüdischen Feiertage. Und wenn wir die lästige Terminplanung dann hinter uns gebracht haben, können wir uns endlich dem wichtigen Teil des interreligiösen Dialogs widmen – dem Essen. Kurznotizen zur Erinnerung: Weihnachten gleich Schoko-Weihnachtsmann, Rosch Haschana gleich Honigkuchen, Zuckerfest gleich Baklava.

Meinung

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Fall Samir

Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024

Memoir

Überlebenskampf und Neuanfang

Von Berlin über Sibirien, Teheran und Tel Aviv nach England: Der Journalist Daniel Finkelstein erzählt die Geschichte seiner Familie

von Alexander Kluy  21.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Nur nicht selbst beteiligen oder Tipps für den Mietwagen in Israel

von Ayala Goldmann  20.04.2024

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024