Finale

Der Rest der Welt

Noch zehn Tage bis zum Sederabend! Rasant verbreitet sich der Pessach-Koller von Israel aus nach Deutschland. Jedenfalls auf meinem iPhone: Mein Cousin hat mir per WhatsApp eine brandneue Halacha geschickt.

»Wer seine Schwiegermutter an Pessach einlädt, ist von der Pflicht befreit, Bitterkraut zu essen!«, wird in dem Text behauptet. Weiter: »Wer sie zum Seder einlädt, darf sich Zaddik nennen. Wer sie bis zu vier Tage aufnimmt, verdient den Titel ›Pessach-Opfer‹. Aufnahme am Sederabend und am Wochenende: verborgener Zaddik. Wer die Schwiegermutter in der gesamten Pessachwoche beherbergt, ist ein Schahid!«

schwiegermutter Auf solche Ehrentitel verzichte ich gerne. Opfer oder Märtyrerin zu sein, überlasse ich anderen – meine Schwiegermutter sucht Ostereier! Zum Glück bin ich auch vom PTPSS (Prä-Traumatisches Pessach-Stress-Syndrom) bisher verschont geblieben. Stattdessen: Null-Bock-Stimmung. Ich will nicht nach Israel fliegen, nichts kochen, niemanden einladen und nicht jedes Jahr dieselben Witze hören (»Warum isst man am Sederabend Eier? Weil den Juden das Wasser bis an die … ging, als sie das Rote Meer durchquerten …).

Leider bin ich trotzdem nicht aus dem Schneider, denn die Tora sagt, dass wir die Geschichte unseren Kindern erzählen müssen. Also werde ich wohl oder übel einen Gemeindeseder besuchen, damit mein Sohn mir später nicht vorwirft, ich hätte das Fest der Freiheit nicht gewürdigt.

Offenbar bin ich aber nicht die Einzige, die findet, die Story vom Auszug aus Ägypten könnte ein bisschen frischen Wind vertragen. Warum sonst sollte sich die gerade erschienene «inoffizielle» Hogwarts Haggadah von Rabbiner Moshe Rosenberg aus Queens so gut verkaufen?

schleichwerbung Glaubt man dem Marketing auf Facebook, sollen schon 5000 Exemplare unters Volk gebracht worden sein. Ich mache hier keine Schleichwerbung, ich kenne das Buch ja noch nicht. Trotzdem spiele ich mit dem Gedanken, diese Haggada bei Amazon zu bestellen, um beim Gemeindeseder mit originellen Bemerkungen zu glänzen. Ist doch besser, als über den Exodus der Zombies zu räsonieren (die Zombie Haggadah ist ebenfalls druckfrisch erschienen) oder zu versuchen, mit müden Kindern Frösche zu basteln, getreu der Anleitung aus A Plague of Frogs: Paper Model Construction Book for Passover.

Also Hogwarts. Ist zwar schon lange her, dass ich bei Band 5 von Harry Potter aufgegeben habe. Aber warum sollte man an Pessach nur religiöses Wissen auffrischen? Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin: Die vier Söhne, die am Sederabend die entscheidenden Fragen stellen, vergleicht Rabbi Rosenberg mit den vier Häusern von Hogwarts. Außerdem stellt er tiefschürfende Fragen: Ob Kobold Griphook das Schwert von Gryffindor vorübergehend verkaufen würde? Und ob er vor dem Sederabend Chametz verbrennt? Ich finde, wir müssen darüber reden. Darauf einen Manischewitz!

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Hommage

Pionier des Erinnerns

Der Filmemacher und Journalist Claude Lanzmann wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Unser Autor ist ihm mehrmals persönlich begegnet

von Vincent von Wroblewsky  26.11.2025

Zahl der Woche

6500 Rabbiner

Funfacts & Wissenswertes

 26.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Coole Nichten, coole Tanten

von Katrin Richter  26.11.2025

Kulturkolumne

Lob der Anwesenheit

Lahav Shani und Jason Stanley: Warum unser Autor nicht nur in der Westend-Synagoge vor Ort ist

von Eugen El  26.11.2025

Film

Shira Haas ist Teil der Netflix-Serie »The Boys from Brazil«

Die israelische Schauspielerin ist aus »Shtisel« und »Unorthodox« bekannt

 26.11.2025

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025