Finale

Der Rest der Welt

Es ist 2016, ich bin 20 Jahre alt und habe noch immer überhaupt nichts gelernt. Abgesehen davon, dass ich das Phänomen der Jahresrückblicks-Depression entdeckt habe, als ich mir letzten Freitag die Spiegel-Chronik 2016 gekauft habe.

Ich hätte es eigentlich beim Anblick des Covers schon wissen müssen: Da guckten mich Cristiano Ronaldo und Frauke Petry an. Das konnte ja nichts Gutes bedeuten. Wahrscheinlich war es mein Hang zur Tragik, der mich letztendlich zwang, die 4,90 Euro für etwas aufgewärmte Katastrophe auszugeben. Und obwohl ich Weltuntergangsfilme liebe: Hallo Gott, das hier ist mir dann doch etwas zu realitätsnah.

Pokémon Go Als Therapie habe ich mir überlegt, einfach das Positive in allem zu sehen: Pokémon Go hat zumindest für ein paar Wochen die trägen Couchpotatoes in unsere Realität zurückgebracht.

Deutschland ist dank Böhmermann wieder das Land der Dichter und Denker; hat es sich doch endlich einmal ausgiebig mit einem Gedicht beschäftigt. An alle neuen Lyrikliebhaber dennoch der Hinweis: Reime müssen nicht vulgär sein und auch nicht immer in einem Strafverfahren enden.

Der Klimawandel wurde von den qualifizierten Populisten in Europa und Übersee abgeschafft. Eine Sorge weniger. Außerdem ist die weibliche Emanzipation auf einem neuen Höhepunkt: Sogar Frauen wählen jetzt ganz gleichberechtigt Dummköpfe. Die britische Jugend hat zudem mittlerweile verstanden, dass ein Klick auf Facebook nicht den Gang zur Wahlurne ersetzt. Und unser gelobtes Land hat gute Aussichten: Als Ausgleich für die vielen französischen Zuwanderer gibt es bestimmt bald auch ein paar britische Gentlemen. Gleichzeitig bleibt Israel, Van der Bellen sei Dank, von den Österreichern verschont.

Modisch hätte es uns auch schlimmer treffen können, die Hochwasserhosen können erneut verwendet werden, und Augenbrauen dürfen wieder buschig sein. Nächstes Jahr sind wir dann alle Frida Kahlo. Sie hätte sich gefreut, wäre sie doch 110 Jahre alt geworden.

Schimon Peres
Traurige Nachrichten gab es auch bei den jüdischen Persönlichkeiten: Adieu Schimon Peres, adieu Leonard Cohen, adieu Elie Wiesel! Aber immerhin, wir haben wieder einen Nobelpreis bekommen. Nur mit Dylan möchte ich ein Wörtchen reden. Seinen Preis hätte er doch bitte abholen sollen. Es ist schon genug Schreckliches geschehen.

Der einzige wirkliche Lichtblick: Unser Chanukkawunder fällt mit dem Weihnachtswunder zusammen. Die Geschichte lehrt uns so einiges, und genau deshalb habe mich entschieden, noch etwas abzuwarten mit dem Jahresrückblick.

Dem jüdischen Kalender zufolge hat das neue Jahr vor Kurzem erst angefangen. Vielleicht wird ja bis September 2017 alles wieder gut.

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Bremen

Seyla Benhabib erhält den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken

Die Jury würdigte Benhabib als »herausragende politische und philosophische Intellektuelle«

 15.09.2025

Eurovision

Israel hält nach Boykottaufrufen an ESC-Teilnahme fest

Israel will trotz Boykott-Drohungen mehrerer Länder am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen. Wie andere Länder und Veranstalter reagieren

 15.09.2025

Antisemitismusskandal

Bundespräsident trifft ausgeladenen Dirigenten Shani

Nach dem Eklat um eine Ausladung der Münchner Philharmoniker in Belgien hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den künftigen israelischen Chefdirigenten Lahav Shani ins Schloss Bellevue eingeladen

von Anne Mertens  15.09.2025

Literatur

Ein Funke Hoffnung

Rafael Seligmann hält Deutschland derzeit nicht für den richtigen Ort einer Renaissance jüdischen Lebens. Trotzdem gibt er die Vision nicht auf. Ein Auszug aus dem neuen Buch unseres Autors

von Rafael Seligmann  15.09.2025

Los Angeles

»The Studio« räumt bei den Emmys 13-fach ab

Überraschende Sieger und politische Statements: Ausgerechnet eine jüdische Darstellerin ruft eine israelfeindliche Parole

von Christian Fahrenbach  15.09.2025

Freiburg im Breisgau

»Keine Schonzeit für Juden«: Neues Buch von Rafael Seligmann

Antisemitismus, der 7. Oktober 2023, ein Umzug von Tel Aviv nach München in den 1950er Jahren und ein bewegtes Leben: Der Historiker streift und vertieft in seinem aktuellen Werk viele Themen

von Leticia Witte  15.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  14.09.2025 Aktualisiert

Nach Antisemitismus-Eklat

Lahav Shani wird im Ruhrgebiet begeistert empfangen

Den Auftritt in Essen besuchte auch Belgiens Premier Bart De Wever

 14.09.2025 Aktualisiert