Finale

Der Rest der Welt

Lange, zu lange vielleicht, habe ich mich zurückgehalten. Als Jude in der Diaspora widerstrebt es mir, Israels politische Führung öffentlich zu kritisieren. Ich will schließlich nicht den Feinden des jüdischen Staates propagandistisches Futter liefern. Doch jetzt kann ich nicht länger schweigen. Denn der Skandal ist unübersehbar und wird mit praktisch jedem Tag offensichtlicher.

Ich rede von Benjamin Netanjahus Haaren. Der israelische Ministerpräsident hat sich Zeit seines Lebens durch eine elegant geföhnte Frisur ausgezeichnet, die zu seinem politischen Erfolg beim Wahlvolk nicht unmaßgeblich beigetragen hat. Inzwischen allerdings ist Netanjahu 66 Jahre alt. Wie bei vielen Männern seines Alters werden die Haare zunehmend lichter. Und wie viele Männer seines Alters versucht auch er, das krampfhaft zu tarnen, indem er die noch vorhandenen Strähnen länger wachsen lässt und über die kahlen Stellen kämmt.

glatzenbildung Als jemand, der das selbst auch eine Weile versucht hat, kann ich dem Ministerpräsidenten versichern: Es funktioniert nicht. Im Gegenteil! Statt die Glatzenbildung zu kaschieren, lenkt diese Frisurtechnik erst recht die Aufmerksamkeit auf den fortschreitenden Haarausfall. Abgesehen davon sieht es affig aus.

Das ist nicht nur Bibis persönliches Problem. Als Ministerpräsident repräsentiert er Israel. Wie steht ein Staat in der Weltöffentlichkeit da, dessen Regierungschef offenkundige Fakten zu verstecken versucht – und das auch noch völlig erfolglos? Zumal Netanjahus Glatzencamouflage offenbar auch bei diplomatischen Vertretern des Landes Schule zu machen scheint. Ein hoher israelischer Diplomat in Deutschland hat zum Beispiel eine noch ausgeprägtere Überkämmfrisur als Bibi. Das kann natürlich auch Zufall sein; ich will dem Herrn nicht unterstellen, dass die Loyalität zu seinem Chef bei ihm bis in die Haarspitzen reicht.

tabula rasa Aber zurück zu Bibi. Der sollte sich ein Beispiel an seinem Koalitionspartner Naftali Bennett von der nationalreligiösen Partei »Jüdisches Haus« nehmen. Nicht unbedingt politisch – Bennett steht noch weiter rechts als Netanjahu –, aber doch frisurtechnisch. Der Bildungsminister und Halbglatzenträger hat, wie viele israelische Männer, mit seinen noch verbliebenen Haaren Tabula rasa gemacht und trägt sie kurz geschoren. Der Kontrast zwischen noch vorhandenen Haaren und den kahlen Stellen wirkt dadurch weit weniger auffällig. Außerdem lässt es einen jünger und dynamischer aussehen, wie mir weibliche Bekannte versichert haben, seit ich das auch so mache.

Zudem entspricht es der jüdischen Tradition. Der antike Historiker Flavius Josephus, hebräisch Joseph ben Mathitjahu, schreibt in seinem Standardwerk Jüdische Altertümer, dass die jüdischen Männer zur Zeit des Tempels ihr Haar kurz geschoren trugen. Und der Prophet Ezekiel forderte von den Priestern im Tempel, »das Haupthaar nicht frei hängen zu lassen«. Mit anderen Worten: Bibi, lass dir die Haare schneiden!

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

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Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025

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Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

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In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

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Berlin

»Stärker als die Angst ist das menschliche Herz«

Die Claims Conference präsentiert in einem Bildband 36 Männer und Frauen, die während der Schoa ihr Leben riskierten, um Juden zu retten

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Auszeichnung

Theodor-Wolff-Preis an Journalisten vergeben

Der Theodor-Wolff-Preis erinnert an den langjährigen Chefredakteur des »Berliner Tageblatts«, Theodor Wolff (1868-1943)

 17.09.2025

Los Angeles

Barbra Streisand über Dreh mit Robert Redford: »Pure Freude«

Mit dem Klassiker »The Way We Were« (»So wie wir waren«) brachen die beiden Stars in den 70er-Jahren Millionen Herzen. Nach dem Tod von Redford blickt Hollywood-Ikone Streisand zurück auf den Dreh

von Lukas Dubro  17.09.2025

Kritik

Toni Krahl hat »kein Verständnis« für israelfeindliche Demonstrationen

Was in der Region um Israel passiere, sei ein Drama, das sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagte Krahl

 17.09.2025