Finale

Der Rest der Welt

Vorfreude ist die schönste Freude – das gilt natürlich ganz besonders für Chanukka. Leider bin ich in diesen Tagen im Doppelstress: Wie koordiniere ich bloß die Chanukkaparty mit den Chor-Terminen meines Sohnes auf dem Rixdorfer Weihnachtsmarkt? Auch beim Elternabend wurde ich mit den Herausforderungen der Vorweihnachtszeit konfrontiert: Adventsbasteln und Wichteln!

Fast eine Stunde habe ich in der Haushaltsabteilung von Karstadt verbracht und über die richtige Länge von Nadeln fürs Basteln sinniert. Anschließend fühlte ich mich wie eine Rabenmutter. Nicht nur, weil ich statt Nähnadeln Stopfnadeln gekauft hatte. Sondern weil ich an der Entscheidung zu zweifeln begann, meinen Sohn auf eine staatliche Grundschule in einem gutbürgerlichen Bezirk zu schicken. Wären wir mit der jüdischen Schule nicht doch besser gefahren – mit orthodoxen Rabbinern, Chanukkaleuchterbasteln und »Maos Tzur«?

Identität Andere jüdische Mütter werden sich jetzt zufrieden zurücklehnen: Sie haben es ja gewusst! Mehr als einmal hat man mir zu verstehen gegeben, dass ich mich der Pflicht, für eine eindeutige jüdische Identität des Sprösslings zu sorgen, entzogen hätte. Da ich zu Schuldgefühlen neige, brechen sich diese kurz vor Chanukka massiv Bahn.

Mein Sechsjähriger tut sein Übriges, damit ich mich schuldig fühle. Kurz nach seiner Einschulung hat er mich wissen lassen, in der Schule gebe es »zu wenig Judentum«. Eine Woche später wollte er wissen, ob »man Christ wird, wenn man christliche Feiertage feiert«. Nun hat er mir zwei Einladungen überreicht: eine zum Weihnachtskonzert seines Kinderchors, eine andere zur Chanukkaparty mit der Forderung: »Ich will 20 Kinder einladen und Latkes backen!« Unter den Einladungen fand ich einen Zettel: »Christen glauben an Jesus (meistens). Juden glauben nicht an Jesus«, stand auf dem Blatt. Weiter unten fand ich den Satz: »Ich bin Jude! Kein Christ!«

Tischgebet Das hellte mein Gemüt wieder auf: Offenbar sorgt eine nichtjüdische Umgebung für eine besonders militante Ausprägung der jüdischen Identität! In der Gemeindeschule wäre mein Sohn spätestens in der dritten Klasse genervt vom Tischgebet und den Rabbineransprachen. Jetzt kann er die jüdische Community problemlos idealisieren!

Mit acht Jahren wird er sich ins Machane-Leben stürzen und mit 14 die erste jüdische Freundin haben, während seine jüdischen Kumpels ihren zickigen Klassenkameradinnen aus dem Weg gehen werden, um sich mit netten nichtjüdischen Mädchen zu verabreden. Bis dahin werde ich noch viele Latkes backen, um den Advent in Schach zu halten. Aber muss ich das wirklich? Ganz unter uns: Wollen wir in diesen chaotischen Zeiten nicht alle Licht ins Dunkel bringen – ob mit Kerzen auf dem Adventskranz oder dem Chanukkaleuchter? Solange mein Sohn den ersten Chanukkaabend nicht mit dem zweiten Advent verwechselt ...

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025