Finale

Der Rest der Welt

Lehitraot und Jom Tov!» – Auf Wiedersehen und einen schönen Tag – hörten meine Freundin und ich, als wir kichernd wie Teenager aus dem Second-Hand-Laden in Kreuzberg liefen. So ein Mist! Wie peinlich! Dazu muss ich erklären, dass wir vor dieser Verabschiedung etwa 20 Minuten damit zugebracht hatten, uns in diesem pittoresken Lädchen auf Hebräisch über die Preise, die im Wachkoma liegende Verkäuferin und den Mottenkugelgeruch auszulassen.

Irritiert griffen wir nach Zipfeln verwaschener Männerhemden, steckten unsere Nasen in die Fächer alter Ledertaschen und probierten völlig ungeniert sämtliche ausgebeulten Hüte der Auslage an. «Hast du das gesehen? Die spinnen doch!», schrie meine Freundin aus der Kabine nach mir. Hebräischer Gegenwartsslang traf auf Berliner Mundart – doch wir fühlten uns sicher. Wer sollte uns schon verstehen? Wer, außer eventuell die Verkäuferin?

patschuli Ich hätte es vorher wissen müssen. Die abgestandene Luft auf diesen 40 Quadratmetern Gentrifizierungsalbtraum roch nach Kreuzkümmel, Patschuli und diesem Armaturen-Deodorant, das man in jedem Tel Aviver Taxi einatmen muss. Die braunen Locken der Inhaberin kringelten sich ungekämmt über ihren schmalen, olivfarbenen Schultern und sahen genau so aus, wie sich der orientalische Megahit «Taltalim Schchorim» (Schwarze Locken) anhört: wild, herzlich und irgendwie laut.

Ich kann mir bis heute nicht erklären, wieso acht meiner sieben Sinne gerade in diesem Moment aussetzten und damit meine unerzogene, israelische Seite offenbarten. Doch es war zu spät. Tal, so ihr Name, schwieg 20 Minuten lang, tat so, als ob sie meditierte, und ließ die Berliner Gören machen. Toda Raba!

geheimsprache Aktuell leben in Berlin über 17.000 Israelis. Eine beachtliche Zahl, die durchaus rechtfertigt, dass ich mich heute zweimal umsehe, bevor ich Hebräisch als Geheimsprache nutze. Das ist das Schöne an Berlin. Mit einer israelischen Mutter und einem preußischen Vater schlagen zwei Herzen in meiner Brust, die ich immer wieder austarieren muss, damit sich meine Sehnsucht nach Chaos und Ordnung die Balance hält. So finde ich hier Falafel und Fischbrötchen, Strandparty und Spreebad, Balagan und Bezirksamt – ein wenig Tel Aviv im bunten Berlin, ein wenig ideelle Heimat in meiner Wahlheimat.

Der nahende Winter erinnert mich jedes Jahr daran, was mir in Berlin fehlt – die Sonne und die Wärme der Menschen, die Israel zu einem einzigartigen Ort machen. Da kann ich im Sonnenuntergang am Paul-Lincke-Ufer so viel Hummus essen, wie ich will: Am Strand von Tel Aviv wird es immer besser, intensiver und ehrlicher schmecken. Tal und ich sind mittlerweile Freundinnen. Sie hat mir meinen verbalen Exzess verziehen, nachdem ich sie zum Essen eingeladen habe. Es gab vegane Currywurst und Goldstar auf der Warschauer Brücke: Berlins intensivster und ehrlichster Ort.

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 27.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 27. November bis zum 3. Dezember

 27.11.2025

Fernsehen

Zieht Gil Ofarim ins Dschungelcamp? 

RTL kommentiert noch keine Namen - doch die Kandidaten-Gerüchte um Gil Ofarim und Simone Ballack sorgen schon jetzt für reichlich Gesprächsstoff

von Jonas-Erik Schmidt  27.11.2025

Rezension

Ein Feel-Good-Film voller kleiner Wunder

Ein Junge, der nicht laufen kann, Ärzte, die aufgeben, eine Mutter, die unbeirrt kämpft. »Mit Liebe und Chansons« erzählt mit Herz und Humor, wie Liebe jede Prognose überwindet

 27.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  27.11.2025

Kino

Echte Zumutung

Ronan Day-Lewis drehte mit seinem Vater Daniel als Hauptfigur. Ein bemühtes Regiedebüt über Gewalt und Missbrauch

von Maria Ossowski  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025