Finale

Der Rest der Welt

Schluss mit dem Jubel, Schluss mit der Begeisterung! Endlich sind die European Maccabi Games vorbei. Als bekennende Sporthasserin habe ich eine harte Woche hinter mir: all die wichtigen Events mit den bedeutenden Worten über den gesellschaftlichen Wert des jüdischen Sports! Und mittendrin ich mit meinem Block – dabei beherrsche ich außer Schreiben, Fahrradfahren, Schwimmen und Nervensägen (auch »Quetschen« genannt«) keine einzige Sportart.

Als totale Niete mit einer stabilen Vier in Sport habe ich es in der Schule nicht mal zu einer Siegerurkunde bei den Bundesjugendspielen gebracht – weswegen ich an dieser Stelle die politische Forderung unterstützen möchte, die Bundesjugendspiele abzuschaffen. Natürlich wäre es totaler Verrat am jüdischen Volk, im gleichen Atemzug auch die Abschaffung der Makkabi-Spiele zu fordern – nur weil man selbst nicht in der Lage ist, beim Volleyball den Ball zu erwischen oder die Abiturprüfung in Bandgymnastik mit einer besseren Note als Vier minus zu absolvieren.

schlachtensee Nein, ich habe nichts gegen jüdischen Sport. Sollen die anderen Juden doch ihren Spaß haben! Den haben sie bei den European Maccabi Games garantiert gehabt. Nehme ich an. Ich war am Wochenende kein einziges Mal im Olympiapark. Ich habe weder Futsal noch Tennis noch die israelischen Wasserballspieler mit ihren coolen Davidstern-Badekappen in Aktion gesehen (obwohl ich immerhin darüber nachgedacht habe, die historische Gelegenheit der 14. European Maccabi Games zu nutzen), sondern bin Fahrrad gefahren und im Schlachtensee geschwommen. Mehr Sport war bei mir einfach nicht drin.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich finde die Idee der Makkabi-Spiele, zumindest theoretisch, sehr überzeugend. Wir sind doch alle eine große Familie! Leute wie ich haben es den »Muskeljuden« – coolen, sonnengebräunten Kibbuzniks zu verdanken –, dass überhaupt ein jüdischer Staat gegründet wurde. Übrigens gibt es auch in meiner eigenen Familie solche Typen – mein Vater war Kibbuznik, ist 7,35 Meter weit gesprungen und 10,9 Sekunden auf 100 Meter gelaufen! Nur ich habe vom Sportgen nichts abbekommen, und in der israelischen Armee war ich auch nicht. Böse Zungen würden behaupten: So sind sie, die »Nervenjuden«. Lassen die anderen kämpfen. Aber was soll ich denn machen? Meine einzige Waffe ist nun einmal das Wort.

Ja, ohne Zweifel ist die Makkabi-Idee gerade in der Diaspora von höchster Bedeutung. Was wären wir Juden in Deutschland überhaupt ohne die 14. European Maccabi Games? Niemand hätte gemerkt, dass wir existieren! Jetzt wissen alle, wie sportlich und wie stark wir sind. Daher sollten Nervenjuden wie ich lieber die Klappe halten und nichts mehr zu den Spielen sagen. Denn längst ist alles gesagt worden – und zwar von allen. Makkabi Chai!

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024

Europa-Tournee

Lenny Kravitz gibt fünf Konzerte in Deutschland

Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch, den 22. Oktober

 21.10.2024

Geistesgeschichte

Entwurzelte Denker

Steven Aschheim zeigt, wie deutsch-jüdische Intellektuelle den Herausforderungen des 20. Jahrhunderts begegneten

von Jakob Hessing  21.10.2024

Heideroman

Wie ein Märchen von Wölfen, Hexe und Großmutter

Markus Thielemann erzählt von den Sorgen und Ängsten eines jungen Schäfers in der norddeutschen Provinz

von Tobias Kühn  21.10.2024

Nachruf

Mentor und Mentsch

Hannah M. Lessing erinnert sich an den verstorbenen israelischen Holocaust-Forscher Yehuda Bauer

von Hannah M. Lessing  21.10.2024

Sam Sax

Apokalyptisch in New York

Der queere Coming-of-Age-Roman »Yr Dead« beschreibt eine Selbstverbrennung

von Katrin Diehl  20.10.2024

Tatort

Alte Kriegsverbrechen und neue Zivilcourage

Im neuen Murot-»Tatort« findet ein Kriminalfall im Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart. Und Hauptdarsteller Ulrich Tukur treibt doppeltes Spiel

von Andrea Löbbecke  20.10.2024

Buchmesse

Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Anne Applebaum

Als die Historikerin Anne Applebaum in Frankfurt mit dem Buchhandels-Friedenspreis geehrt wurde, richtete sie einen dramatischen Appell an die Welt

von Christiane Laudage, Christoph Arens, Volker Hasenauer  20.10.2024