Finale

Der Rest der Welt

Lange hat die Opposition in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin nichts von sich hören lassen. Dann meldete sie sich aus der Versenkung zurück – und appellierte an uns Gemeindemitglieder, wegen der Anschläge in Frankreich »keine übereilten Entscheidungen« zu treffen: »Viele äußern ihre Ängste und spielen mit dem Gedanken, die Stadt zu verlassen«, hieß es in einer E-Mail.

Ich freue mich immer, wenn Repräsentanten der Jüdischen Gemeinde mir schreiben, aber irgendwie fühlte ich mich von dieser Nachricht nicht angesprochen. Wieso sollte ich mit dem Gedanken spielen, Berlin zu verlassen, außer für einen Sommerurlaub in Brandenburg? Und wohin? Etwa nach Israel? Kommt nicht infrage.

Auffahrunfall Schon gar nicht wegen der Antisemiten. Genauso gut, wie mich ein IS-Dschihadist in Berlin in die Luft sprengen könnte, könnte das ein Hamas-Kämpfer in einem Cafe in der Schenkin-Straße in Tel Aviv tun. Oder ich könnte in der Hauptverkehrszeit auf dem Ayalon Highway bei einem Auffahrunfall sterben, was statistisch sogar viel wahrscheinlicher wäre. »Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich«, sagte Erich Kästner in einem viel zitierten Gedicht. Das Zitat passt immer. Besonders jetzt.

Nein, ich werde nicht noch einmal in meinem Leben Alija machen – eine solche Entscheidung wäre das Ende meiner Ehe. Ich bin mit einem Mitteleuropäer verheiratet, der Temperaturen über 25 Grad Celsius für tropisch hält, und der es nicht mag, wenn Leute laut, unhöflich oder besserwisserisch sind. Warum sollte ich diesen friedfertigen Menschen nach Eretz Israel verschleppen? Dann wäre da noch das Sprachproblem. Seitdem mein Mann als Student in Leipzig das Hebraicum abgelegt hat, sind fast 26 Jahre vergangen. Soll er sich im Ulpan mit Piel, Pual und Hitpael herumärgern? Oder Französisch lernen? Sein Russisch hat sich seit DDR-Zeiten nicht wesentlich verbessert.

Milky Nicht zuletzt stellen sich finanzielle Fragen. In Israel braucht man mindestens zwei Gehälter, um eine Familie durchzubringen – oder man streicht »Milky« vom Speiseplan. Wovon sollen wir leben, wenn ich keinen Job als Top-Auslandskorrespondentin ergattern kann?

Israelische Medien sind für ihre bescheidene sowie unpünktliche Bezahlung mehr als berüchtigt. Und seien die Chefredakteure auch noch so »Olimfreundlich« – sie stellen trotzdem lieber Muttersprachler ein. Ich finde, mit meiner ersten Alija im Jahr 1991 habe ich meinen Zionismus hinlänglich unter Beweis gestellt. Ich habe es sechs Jahre in Israel ausgehalten! Das kann nicht jeder Repräsentant von sich behaupten.

Also bleibe ich in Berlin und warte auf die nächste E-Mail der Opposition. Vielleicht könnte sie sich diesmal für eine Wiederbelebung der israelischen Abteilung in der Gemeinde einsetzen? Kunden gäbe es sicherlich genug. Denn wir wissen doch: Das Gelobte Land ist für uns Juden immer das Land, in dem wir gerade nicht sind.

Sehen!

»Kleider machen Leute«

Im Staatstheater Cottbus wurde jetzt Alexander Zemlinskys Oper in der Fassung von 1913 uraufgeführt

von Maria Ossowski  10.02.2025

TV-Tipp

Der andere Taxi Driver

Arte zeigt den Thriller »A Beautiful Day« der Regisseurin Lynne Ramsay mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle

von Kathrin Häger  09.02.2025

Analyse

Der nette Salafist?

Was von Syriens Interimspräsident Ahmad al-Sharaa zu erwarten ist – auch im Verhältnis zu Israel

von Tom Khaled Würdemann  10.02.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Was bedeutet das Wort »Jude«?

Überlegungen zu Selbstmitleid und Dankbarkeit

von Ayala Goldmann  09.02.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Als Harry und Sally so langweilig wie Mayonnaise waren

von Katrin Richter  09.02.2025

Zahl der Woche

160 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 09.02.2025

Aufgegabelt

Pancakes

Rezepte und Leckeres

 09.02.2025

New York

Trauer um Tony Roberts

Der Schauspieler starb am vergangenen Freitag an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung

 08.02.2025

Bildung

Wissenschaftsfreiheit und Antisemitismus

Die Bundestagsresolution gegen Judenhass an Hochschulen und die Verantwortung der Universitäten. Ein Gastkommentar von Frederek Musall

von Frederek Musall  07.02.2025