Finale

Der Rest der Welt

In jeder Generation gibt es 36 Gerechte und Abertausende von Schmocks. (Der erste Halbsatz stammt aus dem Talmud, der zweite aus meiner Lebenserfahrung.) Einer dieser Schmocks ist Ben Edelman aus Boston, der es beinahe geschafft hat, eigenhändig eine alte amerikanisch-jüdische Tradition kaputt zu machen.

Seit mehr als einem Jahrhundert ist es in den USA gute jüdische Sitte, an Weihnachten chinesisch essen zu gehen. Das hat seinen historischen Grund in der Zeit, als Amerika noch eine christliche Nation war und an Weihnachten sämtliche Restaurants geschlossen hatten – bis auf die chinesischen eben, deren Betreiber mit Jesu Geburt ebenso wenig am Hut hatten wie die Juden. Die harmonische Symbiose aus jener Epoche hält bis heute, zur Zufriedenheit aller.

rechnung
Bis auf die von Ben Edelman. Der Wirtschaftswissenschaftler an der renommierten Harvard Business School fand nämlich vor zwei Wochen einen Fehler in der Rechnung des Restaurants »Sichuan Garden«, das ihm Essen nach Hause geliefert hatte. Die Rechnung betrug 53,35 Dollar. Nach akribischer Prüfung der Online-Speisekarte konstatierte der Professor einen Fall von schockierendem Unrecht: Man hatte ihm vier Dollar zu viel berechnet! Empört monierte er die Differenz und forderte sofortigen Regress.

Der Fehler allerdings lag bei Edelman selbst. »Sichuan Garden«-Betreiber Ran Duan verwies den Professor in höflichem, wenn auch unbeholfenem Englisch (Duan ist chinesischer Immigrant) darauf, dass sein Restaurant zwei Standorte hat, von denen einer in der Tat etwas höhere Preise verlangt. Edelman hatte die Karte der billigeren Filiale konsultiert, aber bei der anderen, teureren bestellt.

Als akademischer Lehrer keinerlei Widerspruch gewohnt, rastete der Professor daraufhin völlig aus. Erst belehrte er den armen Restaurantbesitzer in einer mit komplexen juristischen Formeln gespickten E-Mail, dass seine Argumentation rechtlich irrig sei und er, Edelman, deshalb die Zahlung der ihm zustehenden vier Dollar gerichtlich erzwingen werde. Anschließend erstattete er beim Gewerbeaufsichtsamt Anzeige gegen Ran Duan wegen Betrugs.

mies Ein Reporter bekam Wind von der Sache und machte sie in der Lokalzeitung publik. Bestimmt zur großen Freude aller Bostoner Antisemiten, die sich mal wieder darin bestätigt sahen, dass Juden erstens geldgeil und zweitens arrogant sind. Dabei ist Ben Edelman ein ausgesprochen schlechter Jude: Nicht nur widerspricht sein mieses Verhalten allen Regeln der Tora. Seine Restaurantrechnung listet unter anderem auch treife Shrimps in Knoblauchsauce auf.

P.S.: Inzwischen hat der Herr Professor sich öffentlich bei Ran Duan entschuldigt. Was beibt ihm auch anderes übrig? Schließlich ist Weihnachten, und er will chinesisch essen gehen.

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Interview

»Erinnern, ohne zu relativieren«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer über das neue Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, Kritik an seiner Vorgängerin Claudia Roth und die Zeit des Kolonialismus in der deutschen Erinnerungskultur

von Ayala Goldmann  12.11.2025